„Mein neues Leben mit der Lichtnahrung“ – schon allein der
Titel des Buchs von Aurelienne Dauguet machte mich neugierig. Als
naturwissenschaftlich interessierter Mensch bin ich solchen Themen gegenüber einerseits
aufgeschlossen, andererseits aber auch enorm skeptisch. Ich habe mich in
anderen Zusammenhängen viel mit Photonen und Quanten befasst und natürlich
hatte ich in den Medien schon über Lichtnahrung gehört (nicht zuletzt nach dem
Tod von Finn Bogumil und dem Film „Es werde Licht“).
21 Tage dauert die „Umstellung“ der Autorin von „stofflicher
Nahrung“ (also dem, was man so herkömmlich unter Nahrung versteht) auf
„feinstoffliche Nahrung“ (also Prana oder Lichtnahrung). Die Autorin hatte sich
schon länger mit dem Thema Fasten und Ernährung im Allgemeinen befasst, hatte
immer wieder gefastet, die Ernährung auf vegan umgestellt – da war für sie der
Weg zur Lichtnahrung ein logischer.
Des Öfteren betont sie, dass das Buch keine Aufforderung
sei, es ihr gleich zu tun. Aber sie betont (offen oder zwischen den Zeilen),
dass diejenigen, die es schaffen, von Licht zu leben, überlegen sind, da sie
sich von allen „Süchten“, zu denen sie auch das Essen zählt, befreien konnten.
Und sie sind dadurch sensibler, leistungsfähiger und besser geworden, die
Autorin kommuniziert nicht nur mit Pflanzen, sondern auch mit ihrem eigenen
Selbst aus vorherigen Leben (Inkarnationen).
Und natürlich nehmen sie auch nur so viel ab, wie sie es
sich selbst vorgenommen haben. Sie programmieren ihren Körper darauf, nicht wie
Anorektiker auszusehen, ausgemergelt und faltig, sondern den Körper zu
bekommen, den sie in der Blütezeit ihres Lebens hatten, mit dem sie sich
wohlgefühlt haben.
Alles in allem wendet die Autorin eigentlich alle bekannten
Pseudo- und Parawissenschaften an, die ich kenne: Homöopathie, Osteopathie,
Bachblüten, Radionik und so weiter, – vor allem aber praktiziert sie Achtsamkeit,
was irgendwie aber auch heißt: sie beschäftigt sich den ganzen Tag mit sich
selbst. Wie fühle ich mich? Was macht mein Körper (also: was macht mein Darm,
wie sieht mein Urin aus und wie riecht er (und tatsächlich auch: wie schmeckt
er?)? Tut mir was weh? Bin ich glücklich, entspannt, sensibel?) und sie
kommuniziert mit den Himmlischen.
Wer kann das im normalen Alltag überhaupt leisten? Die
Autorin ist gelernte Krankenschwester, nennt sich Therapeutin und Dozentin. Tatsächlich
„praktiziert“ sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz, bietet Aura-Arbeit, Lithotherapie,
feinstoffliche Radionik und noch vieles andere.
Auf jeden Fall ist sie 64 Jahre alt und arbeitet freiberuflich.
Daher findet sie die Zeit, in ihren Körper hineinzuhorchen und ihre zahllosen
Übungen durchzuführen. Sie spürt Schwingungen von Lebensmitteln, bezeichnet
sich selbst als „hellsichtig“ und obwohl sie es immer wieder verneint: sie
sieht sich selbst als unglaublich wissend und überlegen.
Da habe ich das Buch zum ersten Mal aus der Hand gelegt und
bin an die frische Luft. Aber nicht, um ein bisschen Licht zu naschen, sondern
um bei einem knackigen Lauftraining meinen Geist von so viel Geschwurbel zu
befreien.
Und Aurelienne Dauguet schreibt fröhlich darüber, dass sich
nach 12 Tagen alles wieder eingependelt habe. Die Verdauung, der Schlaf (man
kommt blendend mit 4 Stunden aus), das Hungergefühl und auch ihre Herzrhythmusstörungen
verschwanden, denn natürlich waren die nur ein Zeichen der körperlichen
Entgiftung. Das Hochgefühl beim Hungern kenne ich von Anorektikern. Da kommen
die Endorphine durchs Hungern erst richtig in Schwung und man fühlt sich
einfach nur toll.
Und obwohl sie ja keinen dazu missionieren will, sich der
Lichtnahrung zuzuwenden, spricht sie den Leser immer wieder direkt an. Sie
schreibt über eine Klientin aus ihrer „Praxis“, eine übergewichtige Frau und
obwohl sie es nicht in klaren Worten sagt – zwischen den Zeilen kann man die
Verachtung lesen, die sie der Frau entgegenbringt. Weil sie einfach nicht den
Schritt schafft, sich von ihrem Übergewicht zu befreien, ihr Leben in die Hand
zu nehmen. Sie spricht sie virtuell sogar mit „Liebe Klientin“ an. Und dann
gehen auch die Pferde ein wenig mit ihr durch. Sie schreibt sich ein bisschen
in Rage. Fabuliert über „der Mensch ist der König und nicht der Sklave“ bis hin
zu „Wachen Sie auf!“ Wurstplatte oder Prana – letzteres schmeckt und tut besser,
auf allen Ebenen“. Jeder ernährt sich von viel zu viel, sie prangert Konsum und
Überfluss an („er ekelt mich an“) – und die Schädlichkeit von Pestiziden (da
zeigt sich, dass sie sich in Schwung geschwurbelt hat, denn Glycosphat gibt es
nicht, da fehlt Hintergrundrecherche oder es ist ein Schreibfehler, auf jeden
Fall fehlt da die hellsichtige Sorgfalt). „Fieber ist ein nützliches
Antibiotika“ – nein, höchstens ein AntibiotiKUM. Wo bleibt bei dem Buch
eigentlich das Lektorat?
Aber wenn ich Sätze lese wie „Heute Nacht weckte mich
Herzrasen“ oder „Ich brauchte einige Zeit, bis ich aufrecht stehen und
umhergehen kann“, schüttelt sich mein Kopf ganz von selbst, denn auch das kenne
ich aus meiner Erfahrung mit Anorektikern. Aber bei ihr sind das die
Nachwirkungen von Erfahrungen aus früheren Leben. Und auch die Tatsache, dass
sie beim Bergwandern außer Atem kommt und „ein Schläfchen im Gras“ braucht, ist
für sie kein Alarmzeichen.
So sieht sorgsamer Umgang mit dem eigenen Körper aus? Mit
diesem „guten, lieben Körper“, wie sie ihn nennt? Sich auf die nächste
Daseins-Ebene zu bewegen bedeutet Herzrasen, niedrigen Blutdruck und
Kreislauf-Ausfälle? Natürlich deklariert die Autorin das als
„Reinigungsprozess“ und nicht als Mangelernährung mit viel zu wenigen (weil gar
keinen) Kalorien. Sie preist Einläufe und verschiedene Öle an, zitiert wild die
Bücher anderer Lichtnahrungs-Jünger, macht Werbung für Bücher und Pamphlete und
manche „Instrumente“ (ein Umkehrosmose-Gerät für die Wasseraufbereitung ist
samt Hersteller-Website erwähnt .
Nach der „Installation der Lichtnahrung“ konsumierte die
Autorin durchaus ab und an ein Löffelchen Honig hier und da, wenn der Körper
dringend Energie in Form von Kalorien brauchte. Oder Sesammus, denn tatsächlich
scheint etwas bei der Programmierung ihres Körpers auf ein bestimmtes Gewicht
schief gegangen zu sein – sie nahm weiterhin ab.
Ja, jeder Jeck ist anders. Aber manche sind gefährlicher als
andere. Die Autorin befindet sich nach eigener Aussage „in einem anderen
Kontext“. Wenn man das Buch unter Vorbehalt in die Hand nimmt und mit Neugier
und Skepsis liest, kann es einem einen Blick auf eine sehr spezielle Spezies
Mensch eröffnen. Wenn man den Weg des Heils sucht und erwägt, diesen zu finden,
indem man von Licht lebt – sollte man meiner Ansicht nach eher professionelle
Hilfe suchen.
Das Buch war gut gegliedert (in einen Tagebuch-artigen Teil,
in dem sie die Umstellung auf Prana schildert und einen mehr
theoretisch-erklärenden Teil für die Zeit danach). Die Hinweise auf unzählige
parawissenschaftliche „Erkenntnisse“, massig wissenschaftlich klingende
Begriffe, die sich bei näherem Hinsehen als reine Erfindung irgendwelcher
Möchtegern-Heilsbringer und Pseudo-Wissenschaftler herausstellen, waren aber
eher verwirrend und sehr ermüdend. Begrifflichkeiten wie „Lichtstrahlkraft der
Ätheraura“, Lichtwasser, Sonnenwasser und Mondwasser, die Milz als Lichtorgan
und noch unzählige weitere, zusammengesammelt aus Wissenschaft und
Parawissenschaft und wie in der Homöopathie üblich zusammengemixt, verschüttelt
und daraus etwas gemacht, das logisch klingt, jeglicher Logik entbehrt und was
keiner braucht.
Zahllose Erfahrungen der Autorin sind reiner Zufall oder von
ihr rein subjektiv so erlebt. Dass sie just in dem Moment, als sie ein neues
Shampoo braucht, welches geschenkt bekommt. Ihre Hellsichtigkeit. Jeder Mensch
kennt dieses „Déjà-vu Gefühl“ oder das Gefühl, sich an ein früheres Leben
erinnern zu können. Viele sind auch ohne Lichtnahrung sehr feinfühlig und
sensibel, viele leben auch ohne Lichtnahrung in der heutigen Konsumgesellschaft
minimalistisch, ohne davon irgendein Aufhebens zu machen oder es zu irgendetwas
hochzustilisieren, das es nicht ist. Auch die angeblich so fabelhafte
körperliche Leistungsfähigkeit der Autorin – es fällt einem schwer das alles zu
glauben, andererseits kenne ich Anorektiker, die mit grenzwertigstem
Untergewicht noch Marathon laufen.
Abgesehen davon fand ich das Buch zwar unterhaltsam aber
brandgefährlich und vergebe 2 Sterne. Leseempfehlung für alle, die sich
kritisch mit dem Thema befassen möchten, aber keine Ambition haben, es selbst
auszuprobieren.
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