Freitag, 31. Januar 2020

Die ganze Welt ist eine Große Geschichte und wir spielen darin mit - Charlotte Roth

„Die ganze Welt ist eine große Geschichte und wir spielen darin mit“ ist die romanhaft aufgearbeitete Biografie des Schriftstellers Michael Ende. Sein Leben könnte so passiert sein, oder auch nicht. Das Buch ist ein Roman, keine Biografie, daher strebt die Autorin Charlotte Roth keine Korrektheit des Inhalts an, obwohl das Buch durch Roman Hocke, einen Freund und Kenner von Michael Ende inhaltlich kuratiert wurde. Da ich mit „Momo“, „Die unendliche Geschichte“ und „Jim Knopf“ aufgewachsen bin, haben mich das Buch und der darin beschriebene Mann hinter den Büchern meiner Kindheit sehr interessiert.


Sprachlich finde ich, dass der der Autorin Charlotte Roth ein ganz wundervolles Buch gelungen ist, bildstark und wohlformuliert. Sie nimmt den Leser in die (fiktive) Kindheit des Schriftstellers mit, vom Kennenlernen seiner Eltern über seine Geburt, den Krieg, Umzüge, Existenzsorgen und seine Schwierigkeiten in der Schule. Man erlebt seine ersten Fantasiewelten mit und spürt die unendliche Liebe, die seine Eltern ihm entgegenbringen. Man erlebt aber auch, wie bei den Eltern Edgar und Luise aus der großen Liebe die große Gleichgültigkeit wird, die dann zur Trennung führt. Das Dasein der Mutter drehte sich wohl jahrelang nur um Mann und Sohn. Und dann, mit Pubertät und Adoleszenz, verliert Michael den sonst so guten Draht zu den Eltern, sie entfremden sich allesamt voneinander. Dabei wiederholt Michael Ende sehr vieles, was seine Eltern ihm vorgemacht haben: mit der Schauspielerin Ingeborg Hoffmann heiratet er eine hingebungsvoll liebende ältere Frau (die bereits ein Kind aus einer früheren Ehe hat), betrügt sie während der Ehe (auch sein Vater hatte die Mutter betrogen) und auch sonst ist die Ehe zwischen zwei Künstlern eher schwierig. Er liebte seine Freiheit und bestand darauf, sie musst es hinnehmen, hatte im Leben keinen Platz für „kleine Eifersüchteleien“.


Interessant und bedrückend wahr und aktuell sind manche Zitate aus dem Umfeld der Familie zum damaligen Nationalsozialismus. So sagt sein Vater nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft auf die Aussage, die Nazis seien nun weg: „Die sind nie weg, die Braunen. Die kleiden sich jetzt nur in Grau“. Ein Bekannter hatte schon Jahre zuvor orakelt: „Wem 1931 auf den Magen schlägt, dem rate ich, sich vor 1933 den Darm amputieren zu lassen.“


Persönlich gestört haben mich die am Anfang sehr vielen Querverweise auf Rudolf Steiner, den Begründer von Anthroposophie und Waldorfschulen, aber auch Antisemit durch und durch. Michael Ende hatte einen großen Hang dazu und zur Christengemeinschaft nach Rudolf Steiner. Die Weltoffenheit und Fantasiebegabung von Ende und der Antisemitismus und die sonstige Haltung Steiners passen für mich nicht zusammen. Vieles, was in seinen Büchern sehr kindlich und verklärt erscheint, sehe ich jetzt in einem anderen Licht – und das ist nicht immer positiv. Für mich jedenfalls haben die Bücher Michael Endes ihren Zauber verloren.


Ich habe mich insgesamt in dem Buch teilweise irgendwie verloren gefühlt. Zeitsprünge ohne Jahreszahlen machten mir die Orientierung nicht leichter. Auch hat es einige Längen, die es mir schwer gemacht haben, mich in die Geschichte wirklich einzufinden. Sprachlich hat mir das Buch gefallen, inhaltlich ist es über einen Menschen, der mir nicht sympathisch ist. Da die Autorin dafür nichts kann, vergebe ich für das Buch vier Punkte.

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