Montag, 6. Januar 2020

Du bist mein zweites Ich - Eva und Erwin Strittmatter

Schon seit längerem lese ich Erwin Strittmatters „Der Wundertäter“. Um noch tiefer in die 1500 Seiten dieses Werks eintauchen zu können, habe ich mir „Du bist mein zweites Ich“ besorgt, denn einen Teil der Trilogie entstand in der Zeit, in der auch die Briefe zwischen ihm und seiner späteren Frau Eva geschrieben wurden (1952 bis 1958). Herausgegeben hat das Buch der älteste gemeinsame Sohn Erwin Brenner zusammen mit Ingrid Kirschey-Feix.

Eva ist 22 Jahre alt, als sie 1952 den rund 18 Jahre älteren Erwin Strittmatter kennenlernt. Zu dem Zeitpunkt waren beide verheiratet (er schon zum zweiten Mal, hatte 4 Kinder aus diesen Ehen), sie lebte in Trennung und hatte den knapp einjährigen Sohn Ilja, der in den Briefen ab und zu erwähnt wird. Die Sammlung der Briefe umfasst wohl einen großen Teil des Schriftverkehrs zwischen der noch sehr jungen Frau und dem „gestandenen“ Mann nach ihrem ersten näheren Beisammensein im Februar 1952. Er, der „große Mann“, schreibt ihr, dem „Mädchen“, der „Mädchenfrau“. Mal als Antwort auf ihre Briefe, mal einfach so, viele Briefe liefen überkreuz, vor allem, wenn er im Ausland war.

Es sind die Briefe zweier Schriftsteller. Zweier Schriftsteller, die einander liebten. Briefe voller Liebe, Sehnsucht und Schwärmerei. Zwischen den Zeilen kann man aber auch einiges herauslesen. Ein bisschen Zeitgeist der DDR der 50er-Jahre. Aber auch die Tatsache, dass Erwin Strittmatter sehr wenig für seine Kinder übrig hatte. Weder für die vier Söhne aus den ersten beiden Ehen, noch für die drei gemeinsamen Söhne mit Eva. Er suhlt sich ab und zu in Selbstmitleid und hadert mit der Welt, fühlt sich allein und unverstanden („Unser eben geführtes Telefongespräch, Dein Brief bestätigen mir, was ich solange dumpf fühlte: Im Grunde bin ich mit Schulzenhof und allem, was die Hälfte meines Lebens ausmacht, allein.“)

Zum Teil im Tagestakt werden von beiden Briefe geschrieben, die außer steten Liebesbekundungen höchstens noch bruchstückhaft auf Texte Bezug nehmen, die sie lesen oder schreiben, und auf die Menschen, mit denen sie zu tun haben (beispielsweise Bertolt Brecht oder Pál Szabó). Sowohl Erwin als auch Eva Strittmatter leben für einander, für ihren Beruf und die Literatur – die Kinder kommen unter „ferner liefen“ höchstens am Rand vor.

Alles in allem ist das Buch eine schöne Liebesgeschichte mit romantischen Wort-Neuschöpfungen („es ist mondig“, „eine Jemandin“). Die Form ist gewöhnungsbedürftig, da die Briefe nicht wirklich als Dialog zu sehen sind. Nur sehr selten wird auf Fragen eingegangen, dazu überkreuzen sich die Briefe viel zu oft und stehen nicht wirklich miteinander in Zusammenhang. Es ist also eher als eine Zusammenführung zweier Tagebücher zu sehen. Denn neben den vielen Liebesbekundungen und –erklärungen erzählen sie sich ihr Leben aus der Ferne. („Ich muss jetzt arbeiten, Morgen komme ich wieder.“)

Für Freunde von Erwin und Eva Strittmatter ein Muss, daher von mir 5 Sterne.

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