„Bald sind wir wieder zu Hause“ von Jessica Bab Bonde war die erste Graphic Novel, die ich jemals gelesen habe. Wobei – gelesen ist dabei fast der falsche Ausdruck. Die Qualität des Buchs besticht viel mehr durch die comicartigen Zeichnungen von Peter Bergting, als durch den Text, der eher Sprechblasen-ähnlich in die Bilder eingearbeitet ist. Anhand der Geschichten von sechs Jugendlichen beschreibt die Autorin die (zum Teil schleichenden) Veränderungen in der Zeit nach 1933.
Tobias, Livia, Selma, Susanna, Emerich und Elisabeth heißen die Protagonisten des Buchs. Hinter jedem Namen stehen eine Geschichte und ein Schicksal. „Sie alle haben Eltern, Geschwister, beste Freunde, Häuser, Kleidung und Lieblingssachen verloren. Mehr oder weniger ihr ganzes Leben. Wie konnte das passieren? Könnte uns das auch passieren? Dir und mir?“ Die Autorin glaubt, dass das „sogar ganz leicht geschehen könnte“. Und ich auch. Deshalb finde ich das Buch unglaublich wichtig. Nicht nur für Jugendliche, sondern für jeden.
So sammelt sie die Geschichten von Überlebenden, die als Kinder und Jugendliche Ghettos und verschiedene Lager überlebten und in Schweden eine neue Heimat fanden. Sie stammen aus Polen, Ungarn oder Rumänien, alle sind real, man kann sie im Internet finden. Inzwischen sind sie über 80 Jahre alt. Sie erzählen in knappen, nüchternen Worten von unbeschreiblicher Gewalt, geben den erschreckend düsteren Bildern einen noch erschreckenderen und düstereren Anstrich. Das Buch ist kurz, aber es hat es in sich.
Die sechs Personen stehen stellvertretend für die Überlebenden – sie haben bis auf ihr Leben so gut wie alles verloren. Einige von ihnen haben in den vergangenen Jahren Vorträge über ihre Erlebnisse gehalten, damit keiner den Holocaust leugnen kann – vergeblich. Holocaustleugner gibt es immer noch.
Das Buch ist in all seiner Grausamkeit ein gutes und wichtiges Buch, solche Bücher braucht es, um die Geschichte nicht zu wiederholen, denn leider sind wir (und nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen Europas) auf dem besten Weg dazu, dies zu tun. Ich könnte es mir als Klassenlektüre gut vorstellen, denn niemand sollte es alleine lesen. Das Buch bietet so unendlich viel Gesprächspotential und schafft so viel Gesprächsbedarf. Ich bin erwachsen und es hat mich tief aufgewühlt – wie geht es dann erst jugendlichen Lesern? Und dennoch: von mir eine ganz klare uneingeschränkte Lese-Empfehlung und 5 Sterne.
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