Freitag, 15. Oktober 2021

Die vergessenen Kinder - Patricia Gibney

„Die vergessenen Kinder” von Patricia Gibney ist für mich ganz eindeutig der Reinfall des Jahres. Der Klappentext des Buchs klang so vielversprechend und auch der Anfang des Krimis war verheißungsvoll, aber dann entwickelte sich das Buch rasend schnell noch im ersten Drittel zu einer riesigen Enttäuschung.

Schade eigentlich, denn die Idee der Autorin ist sehr gut und leider auch brandaktuell. Denn nicht nur in Kanada wurden in sogenannten Residential Schools (von den Kirchen betriebenen Internaten) die Kinder indigener Stämme systematisch gequält und viele kamen dort auch zu Tode, auch in Irland wurden auf dem Gelände von katholischen Kinderheimen und Heimen für ledige Mütter unzählige sterbliche Überreste gefunden. Daher ist die Geschichte, die Patricia Gibney über strukturellen Missbrauch, Misshandlungen, Vertuschung und Korruption erzählt, wirklich realistisch. Aber mehr Positives kann ich über das Buch nicht sagen. Abgesehen von der Krimi-Geschichte rund um mehrere Morde ist das „Beiwerk“ von Ermittlungen und Privatleben von Detective Lottie Parker arg konstruiert, manchmal sogar abstrus und ärgerlich unrealistisch. Die Schilderungen der Gewalt gegenüber Kindern und Schutzbefohlenen fand ich an manchen Stellen so ganz ohne Triggerwarnung zu brutal und bildhaft.

Die immer noch trauernde verwitwete Polizistin Lottie hat ein Problem mit Alkohol, Medikamenten und ihren pubertierenden Kindern, sie hasst ihre Mutter und zeichnet sich ganz sicher nicht durch Souveränität oder berufliche Kompetenz aus. Sie wird zwar durch ihre Überforderung zwar sehr menschlich dargestellt, aber nicht sympathisch. Wie sie selbst sagt, kriegt sie ihr Leben nicht auf die Reihe und hat ihre Kinder überwiegend sich selbst überlassen.

Die Handlung des Buchs ist stellenweise fast lächerlich vorhersehbar und wirkt manchmal auch bemüht durch viele Wiederholungen in die Länge gezogen, damit die immerhin fast 600 Seiten voll werden. Die Geschichte zieht sich zwischen dem eigentlich ganz guten und spannenden Anfang zu einem Schluss, den ich mir allerdings als alter Krimi-Hase schon nach der Hälfte der Seiten denken konnte, zeitweise wie Kaugummi. Die Charaktere sind platt und voller Klischees und alles in allem konnte ich, außer vielleicht der Gerichtsmedizinerin Jane Dore, niemanden sympathisch oder gar kompetent finden. Noch dazu ist die deutsche Übersetzung handwerklich nicht wirklich gut. Neben allgemein holprigen Sätze mit fragwürdigen, fehlenden und manchmal definitiv falschen Ausdrücken, sind auch einige Rechtschreibfehler („sechszehn“) enthalten und auch das Wort „AbendDNSrichten“ ist wohl ein Opfer der Autokorrektur (alle DNA durch DNS ersetzen) geworden.

Alles in allem konnte mich das Buch daher weder inhaltlich noch formal in irgendeiner Weise begeistern, für mich war die Lektüre ein einziges Ärgernis. Wäre das Buch besser geschrieben und konzipiert, besser übersetzt und sorgfältiger lektoriert, hätte es ein echtes Highlight sein können. So kann ich es aber wirklich niemandem empfehlen und den Rest der Serie werde ich mir wohl sparen. Daher vergebe ich zwei Sterne.

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