Mit „Die Toten auf Föhr“ wartet ein komplexer und komplizierter Fall auf Anna Johannsens „Inselkommissarin“. In ihrem zwölften Einsatz ermittelt Hauptkommissarin Lena Lorenzen zusammen mit ihrem Team nicht nur in einem Todesfall, sondern alle haben auch irgendwelche private Probleme zu lösen. Auf die Leserschaft wartet bei diesem Buch spannende Lektüre mit einer privaten Note – für mich ein Volltreffer.
Die 34jährige Carolin Schneider, ihr zweijähriger Sohn und ihre fünf Jahre alte Tochter werden tot in ihrem Haus auf Föhr aufgefunden. Schnell ist für die Polizei klar, dass es sich um einen erweiterten Suizid handelt. Carolin soll erst ihre Kinder erstickt haben und sich anschließend mit Schlaftabletten und Alkohol in die Badewanne gelegt haben, wo sie dann ertrunken ist. Nach drei Tagen wird der Fall als abgeschlossen zu den Akten gelegt. Vorschnell, wie sich herausstellt. Eine von Carolins Vater angestrengte Obduktion ergibt, dass alle drei Opfer eines Tötungsdeliktes wurden. Sehr zum Missfallen der Flensburger Ermittler schalten sich Lena Lorenzen und ihr Team vom LKA ein. Die Kollegen fühlen sich in ihrer Kompetenz beleidigt, aber Lena, Naya Olsen und Johann Grasmann lassen sich auch durch offene Drohungen wie „Ich kann Ihnen nur raten, sich warm anzuziehen, Frau Kollegin.“ nicht aufhalten. Anscheinend wollte Carolin Schneider ihren Mann mit den Kindern verlassen. Hat Andre Schneider etwas mit ihrem Tod zu tun? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter?
Alle Protagonisten haben im seit Anfang der Serie eine enorme Entwicklung durchlebt und als Kenner der Reihe fühlt man sich bei Lena, Naya, Johann, Erck und Ole, als würde man gute alte Bekannte treffen. Lenas Kollegen Naya und Johann hatten sich eine Auszeit genommen – umso mehr habe ich mich über ein Wiedersehen mit dem kompletten Team gefreut, auch wenn in Nayas Fall der Grund für ihre vorzeitige Rückkehr eher ein trauriger ist. Neben den sympathischen und sehr gut ausgearbeiteten Protagonisten wartet der Krimi aber natürlich auch mit einem tiefgründigen und hervorragend konzipierten Plot auf. Erweiterter Suizid, Kindstötung, Femizid – das sind leider sehr aktuelle Themen, die die Autorin gekonnt, sensibel und ohne Sensationsgier in ihrem Buch verarbeitet. Der Fall selbst weist einige Verdächtige, falsche Fährten und Wendungen auf, die so überraschend sind, dass einem beim Lesen ganz schwindelig wird.
Das Kompetenzgerangel zwischen den verschiedenen Dienststellen ist sicher sehr realistisch dargestellt, die privaten Probleme vermutlich auch. Für die Ermittler ist es nicht einfach, ihre Arbeit nicht „mit nach Hause zu nehmen“, auch die Dienstpläne sind mit dem Familienleben oft nur schwer vereinbar. Bei Lena und ihrem Mann Erck mündet dies in einer Ehekrise, da sie es nur schwer schafft, Arbeit, Ehe und ihren dreieinhalbjährigen Sohn Bent unter einen Hut zu bekommen. Work-Life-Balance und Arbeitsüberlastung bei der Polizei sind neben dem eigentlichen Verbrechen wichtige Themen des Buchs. Dazu hat Anna Johannsen mit Naya Olsen eine Ermittlerin erdacht, die mehrere Kulturkreise vereint: sie selbst hat die deutsche und die dänische Staatsangehörigkeit, ihr Großvater war Anfang der 1950er Jahre als Angehöriger einer grönländischen Inuit-Familie nach Dänemark verschleppt worden. Damit greift die Autorin ein Thema auf, das in Deutschland weniger, in Dänemark aber nach wie vor zu Recht diskutiert wird.
Für mich war „Die Toten auf Föhr“ vielschichtig und unterhaltsam mit allem, was ein Krimi braucht: Spannung, Privatleben, emotionalen Tiefgang, falschen Fährten und einem stimmigen Schluss. Ich empfehle das Buch gern allen Fans der Serie und natürlich allen, die gerne Krimis mit sympathischen und kompetenten Ermittlerteams lesen. Für mich war es ein Volltreffer, ich vergebe fünf Sterne und freue mich schon auf den nächsten Teil der Reihe.
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