Lange mussten die Fans auf Karin Slaughters neuesten Thriller „Letzte Lügen“ warten. Der 12. Teil der Serie um Special Agent Will Trent vom Georgia Bureau of Investigation und Rechtsmedizinerin Dr. Sara Linton hat aber in sich. Endlich haben die beiden geheiratet und die Flitterwochen stehen an. Dass diese nicht nur harmonisch verlaufen, war keine Überraschung. Dass der Aufenthalt in der Ridgeview Lodge so aus dem Ruder laufen würde, hatte ich aber nicht erwartet. Trotz der über 500 Seiten voller Brutalität, menschlicher Abgründe und Lügen war das Buch für mich ein Highlight.
Aber von vorn.
Zwei Tage nach ihrer Hochzeit starten Will Trent und Sara Linton in die Flitterwochen. Will hat als Ziel die abgelegene Ridgeview Lodge ausgesucht. Kinder des Kinderheims, in dem er aufgewachsen ist, durften dort einen Teil ihrer Sommerferien verbringen, er selbst konnte aber nie mitfahren. Jetzt möchte er diese Erfahrung nachholen. Um ihre Flitterwochen ungestört genießen zu können, haben er und Sara beschlossen, ihre wahren Berufe zu verschweigen. Bei einem nächtlichen Ausflug zum See hören sie einen Schrei und finden kurz danach am Ufer Mercy McAlpine. Die Tochter der Besitzer der Lodge ist lebensgefährlich verletzt und verstirbt trotz Wills Wiederbelebungsmaßnahmen. Der Hauptverdächtige ist mit Mercys ex-Mann Dave schnell gefunden, er und Will kennen sich aus dem Kinderheim und er weiß, dass „der Schakal“, wie sie ihn damals nannten, zu einigem fähig ist. Die acht übrigen Gäste der Lodge scheinen ebenfalls alle etwas zu verbergen zu haben, genauso wie die McAlpine-Familie. Patriarch Cecil und seine Frau Bitty planten, das Anwesen zu verkaufen. Mercy, die seit dem schweren Unfall ihres Vaters als Geschäftsführerin agierte und die Lodge modernisiert hatte, war dagegen und hatte deshalb Streit mit ihren Eltern. Auch mit ihrem Sohn Jon hatte sie Streit, er warf ihr an den Kopf „»Ich wünschte, du wärst verdammt noch mal tot.«“ Jetzt ist sie tot, Jon ist verschwunden, sein Vater Dave ist auch nicht auffindbar und der Rest der Anwesenden auf der Lodge ist keine große Hilfe, von denen scheint jeder ein Geheimnis zu haben. Auch der örtliche Sherriff ist als Freund der Familie nur mäßig engagiert. Da bekommt Will von seiner Partnerin Faith Mitchell mehr Unterstützung. Und dann gibt es einen weiteren Toten.
In ihrem gewohnten Stil tischt Karin Slaughter Brutalitäten auf. Es wird geprügelt, gestochen, geflucht, gekränkt und vor allem gelogen. Das Buch hat ein paar Längen, ist aber flüssig zu lesen. Für Neulinge wird alles Notwendige erklärt, man kann das Buch also getrost auch ohne Vorkenntnisse lesen. Die Geschichte beginnt 12 Stunden vor dem Mord und rast dann im Parforceritt durch die Ermittlungen. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven und dazwischen sind ein paar Briefe eingeflochten, die Mercy in verschiedenen Situationen an ihren Sohn Jon geschrieben hat. Die Charaktere sind, wie von der Autorin gewohnt, detailliert ausgearbeitet. Will und Sara bekommen ein paar neue Facetten. Die McAlpine Familie ist so dysfunktional, dass man Gänsehaut bekommt. Das Setting, die abgelegenen Lodge am See, die dazu durch schlechtes Wetter von der Außenwelt abgeschnitten ist, ist gut und anschaulich beschrieben.
Bei all der Brutalität hat das Buch für mich auch eine gewisse Komik. Bitty hat beispielsweise interessante Prioritäten. Tochter wurde gerade ermordet, ihr Adoptivsohn ist der Hauptverdächtige, jeder in der Lodge (nicht zuletzt sie selbst) ist durch und durch verlogen und ihr Enkel ist verschwunden – die kleine Notlüge von Will und Sara bezüglich ihrer Berufe ist für sie aber wahre Drama. Eine Art „running gag“ ist für mich, dass Will sich in jedem Band irgendwann verletzt. Die Frage ist dabei nicht ob, sondern wann. Für mich war „Letzte Lügen“ ein Highlight und ich empfehle es gerne weiter. Wer bezüglich Missbrauch und Gewalt nicht triggerfest ist, sollte allerdings vorsichtig sein. Von mir gibt es fünf Sterne.
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