Mal vorneweg. Das Buch ist gut geschrieben, sauber und gründlich
recherchiert. Die Sprache ist nah am Leser, verständlich und einfach. Prof. Dr.
Ingo Froböse erläutert anhand von Statistiken und Studien, wieso Medikamente
oft nicht nötig sind. Er zeigt Wege auf, wie man Krankheiten vermeiden kann
oder bestehende Leiden bessern kann. Einfache sportliche Übungen fehlen in dem
Buch genauso wenig wie Ernährungsempfehlungen und Trainingspläne. Dankenswerterweise
fehlt auch der Hinweis nicht, dass Männer, Frauen und Kinder substanziell
verschieden sind und daher eigentlich anders behandelt werden müssten.
Der Autor behandelt die Themen Schmerz (Kopfschmerzen,
Rückenschmerzen, Arthrose) genauso wie Bluthochdruck, Diabetes und erhöhtes
Cholesterin. Bei alldem kann eine Veränderung in der Lebensweise hilfreich
sein.
Es ist auch schön zu lesen, dass der Autor auch im Alter von
60 Jahren keinerlei Medikamente nimmt. Nehmen muss. Aber bei mir als Leser
hinterlässt dieser erhobene Zeigefinger ein etwas unbehagliches Gefühl. Natürlich
führt er ein gesundes Leben. Und ist daher gesund. Obwohl er betont, es ginge
ihm nicht um Schuld, fühlte ich mir unterschwellig schuldig. Wegen einer
chronischen Erkrankung bei der täglicher Sport, Normalgewicht und ausgewogene
Ernährung nicht helfen, die mich täglich auf Tabletten angewiesen sein lässt. Daher
stieß mir die Polemik, mit der der Autor Bewegung als Heilmittel für viele
Krankheiten (auch in der Vorbeugung) anpreist, an mancher Stelle unangenehm
auf. Diese Vehemenz zeigt aber auch deutlich, dass er kein Arzt ist, sondern
Sportwissenschaftler.
Er vernachlässigt meiner Meinung nach sträflich diejenigen,
die auf Medikamente angewiesen sind. Denn tatsächlich sind Antidepressiva keine
lustigen Stimmungsaufheller für diejenigen, die nur zu faul sind, Sport zu
machen und deshalb schlecht drauf sind. Vielleicht bin ich bei diesem Abschnitt
sehr sensibel, aber Sport als Allheilmittel zu propagieren finde ich
verwerflich denen gegenüber, die beispielsweise aufgrund eines chemischen
Ungleichgewichts unter schweren Depressionen leiden. Da hilft auch der beste
und ausdauerndste Sport nicht.
Nichts destotrotz ist das Buch ein lesenswerter Überblick
über die Möglichkeiten, auf Medikamente verzichten zu können. Aber es ist
keineswegs eine Anleitung und auch ganz sicher nicht der alleinseeligmachende
Weg. Der Leser muss seinen eigenen Weg finden, kritisch mit sich, seinen Leiden
und den Medikamenten in seinem Leben umgehen. Wirkungen, Nebenwirkungen und Leidensdruck
abwägen. Und diesen Punkt vernachlässigt der Autor meiner Meinung nach sehr
stark.
Daher von mir wegen des großen Informationsgehalts (auch
über das Prozedere bei der Zulassung von Medikamenten, einigen Vorgängen im
Körper und den guten Anregungen für ein gesundes Leben) 3,5 Punkte, aufgerundet
auf wohlmeindende 4.
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