Montag, 4. November 2019

Die gute Seele - John Marrs

„Vier Stunden später war es an der Zeit, dass ihre Mutter erfuhr, wie man sich fühlte, wenn jemand mit einem spielte“. Dieser Satz ist in John Marrs‘ „Die gute Seele“ sehr bezeichnend. Denn darum geht es: Psychospielchen. Manipulatives Verhalten. Hinterhältigkeit. Und Aggressivität, Perfidität und die tiefsten Abgründe menschlichen Verhaltens.

Im Englischen heißt das Buch von John Marrs „The good Samaritan“. Dieser Titel weist direkt auf die Aufgabe hin, die die Hauptfigur hat: nämlich ehrenamtlicher Dienst bei der Telefonseelsorge. Denn das ist es, was Laura macht. Aber sie ist nicht gut, vielleicht hat sie noch nicht einmal eine Seele. Und eine gute Samariterin ist sie schon gar nicht. Tief in ihrem Inneren schlummert das abgrundtief Böse.

Anfangs fand ich das Buch enorm zäh und es für mich schwer in die Geschichte zu finden. Lauras ehrenamtlicher Dienst bei der Telefonseelsorge tröpfelt so dahin, man erfährt etwas über sie und ihre Familie, ihren Mann Tony, ihre beiden Töchter und den schwerbehinderten Sohn Henry. Und über ihre Kindheit in Pflegefamilien, nachdem sie ihre Herkunftsfamilie verloren hatte. Und schlagartig wird das Buch von fade und langweilig zu einer zutiefst verstörenden Mischung aus Psychothriller und tiefem Einblick in eine zutiefst gestörte Seele. Nichts, aber auch gar nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint, jede der Figuren lebt in ihrer eigenen Realität und hat eine eigene Sicht auf die Dinge. Welche stimmt? Man weiß es nicht. Aber eines weiß man: Laura ist eine Frau, für die es keinen schöneren Klang auf der Welt gibt, als den letzten Atemzug eines Menschen.

Die Personen verstricken sich allesamt so tief in Manipulationen, dass irgendwann keiner mehr weiß, was wahr ist. So ziemlich jeder findet im Laufe des Buches einen Gegenpart, der noch manipulativer ist und tatsächlich noch unterschwellig böser. Trau, schau, wem – nach einigen Seiten, bei denen ich mich zum Lesen zwingen musste, trotz mancher zu verwirrender Plottwists für die hervorragende Idee und die über weite Strecken sehr gekonnte Umsetzung von mir ganz klare 5 Sterne.

Ein paar holprige Übersetzungen und ein Logikfehler fielen mir dennoch auf. Laura gibt ihrem ehemaligen Pflegebruder Nate einen 10 Euroschein. Im Britischen Northampton eher unwahrscheinlich, denn nach wie vor wird auf der Insel in Pfund bezahlt.

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