Dienstag, 19. November 2019

Knieschmerzen selbst behandeln - Roland Liebscher-Bracht, Petra Bracht

Liebscher und Bracht sind inzwischen weithin bekannte Namen, vor allem durch ihre Bücher und Online-Videos zur Selbsthilfe. Daher war ich auf ihr neues Buch „Knieschmerzen selbst behandeln“ sehr gespannt.

Ich kann nicht sagen, dass mich das Buch enttäuscht hat – aber es hat mich auch nicht wirklich positiv überrascht. Es ist einerseits eine Aneinanderreihung altbekannter Übungen für Knie und Hüfte, zum Dehnen, Strecken und Stärken. Jeder Sportler kennt sie und vermutlich auch jeder Nicht-Sportler, der jemals Physiotherapie für diese Körperteile bekam. Da ist nichts wirklich Neues dabei.

Was mir aber bei diesem Buch enorm negativ aufgefallen ist, ist die Selbstbeweihräucherung der beiden Autoren. Denn insgesamt kann man das Buch als reich bebilderten Werbeprospekt betrachten. Viele Übungen fußen auf den eigenen Produkten, einiges mutet sehr esoterisch an und fast habe ich noch die Empfehlung für irgendwelche Globuli erwartet. Aber nein – Liebscher und Bracht preisen „nur“ ihre eigenen überteuerten Nahrungsergänzungsmittel an.

Die Übungen sind insgesamt gut machbar (aber nicht zwingend mit den von den Autoren angepriesenen, zum Teil enorm teuren, Produkten aus ihrer eigenen Produktlinie) und bei manchen Beschwerden helfen sie vermutlich auch. Bei anderen aber ist der Besuch eines Arztes unabdingbar! Insgesamt kommt das Wort „Arzt“ in diesem Buch nur dreimal vor. Aber nicht jedem Schmerzgeplagten kann ohne OP geholfen werden und dieses Heils- und Heilungsversprechen im vorliegenden Buch finde ich verwerflich. „Berichten Sie auch Ihrem Hausarzt oder Physiotherapeuten, dass Ihnen unsere Selbsthilfemaßnahmen bei Ihren Schmerzen geholfen haben“ – schon allein dieser Satz zeigt die Arroganz und das Maß, wie überzeugt die Autoren von ihrer Methode sind (zu der es allerdings keine haltbaren Studien gibt). Denn richtig müsste es heißen: „ob Ihnen unsere Selbsthilfemaßnahmen […] geholfen haben“.

Dem geneigten Leser empfehle ich auf jeden Fall die Aussagen, die im Buch gemacht werden, gründlich zu hinterfragen. Im Zweifel doch unbedingt einen Arzt zu Rate zu ziehen und auch dessen Aussagen zu hinterfragen und im Endeffekt genau das zu tun, was zielführend und heilend (oder zumindest lindernd) ist. Bei Beschwerden würde ich auf jeden Fall keinem raten, diese mit einer bebilderten Anleitung zu „heilen“. Viele Übungen können, falsch ausgeführt, mehr schaden als nutzen, vor allem wenn man sie allein im stillen Kämmerlein, nur mithilfe von Bildern (oder auch Videos) ausführt und keine Rückmeldung bekommt, ob man sie richtig macht.

Also insgesamt ist etwa das halbe Buch Werbung und Selbstbeweihräucherung, gekoppelt mit zweifelhaften Heilungsversprechen und einem unterschwelligen Kreuzzug gegen die evidenzbasierte Physiotherapie. Der Rest sind altbekannte Übungen im neuen Mäntelchen, dargestellt in schicken Bildern eines selig lächelnden Mannes mittleren Alters. Was man davon halten mag, kann jeder für sich selbst entscheiden. Auch, ob ihn die Rechtschreib- und Logikfehler ebenso stören wie mich. Dafür, dass die Hälfte des Buchs brauchbar ist, gibt es von mir auch die Hälfte der Punkte.

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