Viel Gutes kann ich über das Buch „Gute Nacht, Liebster“
nicht wirklich sagen. Der Sprachstil ist altbacken, schleppend und dröge, daher
las sich das Buch für mich sehr schwerfällig. Dazu war mir die Hauptperson
Hilda eher unsympathisch, ihre naive Art ging mir sehr schnell auf die Nerven. Natürlich
ziehe ich vor ihrem Einsatz für ihre bettlägerige Mutter und später ihren
pflegebedürftigen Ehemann den Hut und spreche ihr meine allergrößte Hochachtung
aus. Aber das macht das Buch nicht besser.
Demenz spielte auch in meinem Leben eine Rolle, daher war
ich auf das Buch sehr gespannt. Denn obwohl eine Frontotemporale Demenz
völlig anders ist, als Alzheimer, ist doch vieles gleich oder zumindest
ähnlich. Die Erkrankung selbst wird von der Autorin (die als Sprachrohr der
pflegenden Ehefrau Hilda agiert) eher oberflächlich geschildert, bis auf die
letzten paar Seiten hat das Buch keinerlei wirklichen Informationsgehalt,
sondern schildert nur Alltag, Erfahrungen und Emotionen. Lange will Hilda es
auch gar nicht wahrhaben, dass die Krankheit fortschreitend und nicht heilbar
ist und ihr ihren Mann Hans unwiderbringlich nehmen wird. Sie schleppt ihn von
Professor zu Professor zu Heiler, bis nach einer Depression dann endlich die Demenz
diagnostiziert wird. Hilda negiert seinen Zustand sehr lange, was aber vermutlich
in der Natur des Menschen liegt.
Aber trotz aller Aufopferung, die Hilda bei der Betreuung
ihres Mannes an den Tag legt, zeigt sie auch eine gewisse sehr ärgerliche
Arroganz. So kritisiert sie praktisch beim „Demenz-Café“, einem Gesprächskreis
der Diakonie, andere Angehörige, die mit der häuslichen Pflege überfordert
waren und ihren Mann/Vater/Mutter in einem Heim unterbringen mussten. Hilda hat
irgendwie überhaupt keinen Blick dafür, wie privilegiert sie eigentlich ist.
Sie muss weder um Pflegegrad oder Pflegegeld kämpfen, sie kann in ihrem Haus
beispielsweise mit Zuschuss der Pflegeversicherung ins Gäste-WC im Erdgeschoss
eine Dusche einbauen lassen - davon
können viele nur träumen. Die Arroganz, alles richtig und gut zu machen fand ich
unangebracht und anderen Angehörigen gegenüber ungerecht.
Und auch später, als die Krankheit bei Hans schon weit
fortgeschritten ist, ist es ihr für lange Zeit vor allem wichtig, dass er
gepflegt aussieht. Wo andere Pflegende sich darum sorgen, dass ihre Angehörigen
nicht die Vorhänge abhängen, zum zigsten Mal das Besteck in der Mülltonne
versenken oder man sie irgendwo suchen muss (Weglaufen ist eines der vielen
Symptome), ist es ihr ein Anliegen, dass er einen Kaschmirpullover trägt, eine
Cordhose und neue Unterwäsche. Und sie schafft nicht nur, sich ab und zu
Menschen zur Unterstützung zu holen, sondern nebenher auch noch Golfspielen zu
gehen. Nicht falsch verstehen: natürlich hat jeder Pflegende das Recht auf ein
eigenes Leben, aber Hilda scheint irgendwie aus den Augen zu verlieren, was sie
sich alles erlauben kann, was andere in ihrer Situation nicht können. Es ist
ihr zwar wichtig, dass er genügend isst und trinkt, ob das aber Weißbier und
Sekt sein müssen, die sie ihm mühevoll
mit dem Kaffeelöffel einflößt weiß ich auch nicht.
Aber auch die Haltung der Ärzte machte mich stellenweise
fassungslos. So viel Halbgott in Weiß, so viel besserwisserische Arroganz –
unfassbar. Vieles von dem, was im Buch beschrieben wird, kann ich gut
nachvollziehen, die Reaktionen von Hilda allerdings so gut wie gar nicht. Sie
sind mir zu realitätsfern und zum Teil sehr naiv für eine Frau, die als
Lehrerin jahrelang mitten im Leben stand (das völlige Gegenteil dazu ist die
Art ihrer Tochter Anna, deren Realismus schon fast takt- und lieblos ist).
Außer der Tatsache, dass ich von dieser (seltenen) Form von Demenz vorher noch
nie etwas gehört hatte, brachte mir das Buch eher Frust als Information, da
hatte ich mir mehr erhofft. Insgesamt ist es das Portrait einer großen Liebe
und eine Darstellung des „privilegierten“ Alltags einer Ehefrau, die ihren
dementen Mann pflegt. Nicht mehr und nicht weniger. Weder sprachlich noch
inhaltlich konnte mich das Buch überzeugen, daher von mir ein Stern.
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