Freitag, 21. Februar 2020

Das Echo deiner Frage - Eva Weissweiler

„Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“ – selten hatte ich diesen Satz als so wahr erlebt, wie beim Lesen des Buchs „Das Echo deiner Frage“ von Eva Weissweiler. Sie hat in diesem Buch die Ehe von Walter und Dora Benjamin und ihre Beziehung anhand von Briefen, Artikeln und durch Gespräche mit Hinterbliebenen nachvollzogen, also keine Biografie zweier Menschen geschrieben, sondern die Biografie einer Beziehung (so auch der Untertitel des Buchs).

Walter Benjamin war Philosoph und Intellektueller. Über ihn ist sehr viel bekannt, nicht zuletzt aus zahllosen Publikationen über ihn. Aber an seiner Seite war eine interessante und starke Frau. 13 Jahren waren die beiden verheiratet, für Dora war es die zweite Ehe. Aus dieser Ehe ging der Sohn Stefan hervor. Wer und was Dora Benjamin (später Dora Sophie Kellner) war, stellt die Autorin ganz klar dar: die studierte Chemikerin (und Philosophin) war mitnichten die „dumme Gans“ oder das „wichtigtuerische Großmaul“, wie sie von verschmähten Liebhabern oder Neidern bezeichnet wurde. Sie war ihrerseits eine talentierte Autorin und Übersetzerin. Zumindest bestritt sie zeitweise mit durch ihre Arbeit den Familienunterhalt, sie unterstützte Walter Benjamin wohl auch noch nach ihrer Scheidung.

Eva Weissweiler zeichnet ihre Hauptfigur sehr sympathisch und vor allem für die Zeit, in der sie lebte (1890–1964) enorm emanzipiert. Sie war ihrem Mann in einigem ebenbürtig, in vielem ist sie ihm aber haushoch überlegen. Er, einer der größten Denker des 20. Jahrhunderts, kommt in diesem Buch nicht besonders gut weg. Kann man der Korrespondenz trauen und dem, was überliefert ist, glauben, so war er egozentrisch, ziemlich lebensuntüchtig und reichlich arrogant und undankbar und nährte das Klischee des verkopften Intellektuellen. Von seinem Sohn verlange er in der Hauptsache „Ruhe“ („Das erste Wort, das er sinnvoll aussprach, war ›Rue‹“) und Arbeit ging bei ihm nach dem Lustprinzip. („Doch das Problem war, dass er fast gar kein Hebräisch konnte und auch wenig Lust hatte, es zu lernen“; […]seine Habilitationsschrift zu schreiben, deren Thema – der »Ursprung des deutschen Trauerspiels« – inzwischen feststand. Er hatte eigentlich keine besondere Lust dazu. Der notwendige »Elan« und der »Funken der ersten Eingebung« wollten sich nicht einstellen.“) Auch die außerehelichen Beziehungen der beiden spart die Autorin nicht aus, beide hatten ihre Affären, fanden aber bis zu ihrer Scheidung und auch danach immer wieder zusammen.

Insgesamt fand ich das Buch sehr interessant zu lesen. Die innere Verbundenheit, die Dora ihrem geschiedenen Mann bis zu dessen Tod gegenüber wohl spürte finde ich bewundernswert, vor allem, da er sich bei der Scheidung ihr gegenüber sehr schofel benommen hat. Er war wohl, wie man heute so schön sagt, ihr Herzensmensch, ihre Liebe und Zuneigung ging über die Ehe und das Körperliche weit hinaus. Sie war eine starke und enorm emanzipierte Frau – vermutlich war sie ihrer Zeit einfach sehr weit voraus. Im Gegensatz zu ihrem Mann suchte und fand sie ihren Platz im Leben und machte das Beste aus allen Lebenslagen. Schon ihre Eltern hatten eine unkonventionelle Ehe mit vielen Umzügen und Trennungen geführt, diese Rast- und Ruhelosigkeit (später natürlich auch durch den 2. Weltkrieg und die Verfolgung bedingt) hat Dora Benjamin übernommen.

Schön auch die vielen Zitate aus den Werken von Dora Kellner, die ihr großes Talent zeigen. Das Buch ist trotz der unzähligen Namen und Orte, die erwähnt werden, flüssig und gut zu lesen, teilweise sogar ein bisschen spannend – da ist der Autorin etwas für dieses Genre eher unübliches gelungen. Daher wurde das Buch auch für mich, der ich kein besonders großer Freund der Philosophie bin, ein echter Lese-Genuss. Eine ganz klare Lese-Empfehlung für Freunde der Philosophie, aber auch für jeden, der etwas über eine starke und wahrlich emanzipierte Frau lesen möchte. 5 Sterne.

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