Wir schreiben das Jahr 1987. Ronald Reagan ist Präsident der USA. „Luka“ von Suzanne Vega ist in den Charts – und AIDS ist in aller Munde. June ist 14 und Greta 16, als sie mit der Krankheit konfrontiert werden, denn ihr Onkel Finn ist infiziert und stirbt. Und June stellt fest, dass sie über ihren geliebten Patenonkel viel weniger weiß, als sie dachte. Vor allem weiß sie nichts über seine große Liebe Tony.
Im Verlauf des Buchs „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ von Carol Rifka Brunt lernt June nicht nur Tony kennen, sie lernt viel über ihren Onkel, über sich selbst und über wichtige Dinge im Leben. Über Liebe, Freundschaft, Vertrauen und Zuneigung, Verlust und Verlustängste, Einsamkeit und um einander Kümmern, über Schuld und Schuldzuweisungen und sie lernt, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick aussieht.
Das Buch ist ein Buch über zwei Jugendliche aber es ist kein richtiges Jugendbuch. Für mich ist es ein einfühlsamer Coming-of-Age Roman, mit viel Gefühl und Tiefgang. Natürlich ist er zum Teil auch sehr plakativ. Der homosexuelle Künstler mit AIDS, der gehasste und von der Familie nicht akzeptierte Lebensgefährte, dominante Eltern und die panische Angst vor Ansteckung mit dem Virus, das damals noch das Todesurteil bedeutete – all das kommt in dem Buch vor. Aber vieles davon entspricht auch den Tatsachen. 1987 wusste man noch sehr wenig über AIDS und die Unsicherheit und Angst war groß. Zwar war die herrschende Meinung zu der Zeit noch, dass es nur Homosexuelle beträfe (eine Art „Schwulenkrebs“) aber viele, wie auch die Mutter von June und Greta hatten Angst, man könne sich über etwas wie einen Fettstift für die Lippen oder einen Kuss auf die Wange anstecken.
Und dennoch schafft es die Autorin, zwischen all den Klischees eine ganz wundervolle Geschichte zu erzählen. June ist anfangs sehr naiv und unbedarft, macht aber (natürlich) eine enorme Entwicklung durch, findet sich selbst und zu sich selbst. Die Sprache im Buch ist bildhaft, poetisch und gleichzeitig leicht zu lesen. Obwohl von Anfang an klar ist, wie das Buch enden wird, fand ich es doch packend und habe es an einem Abend durchgelesen. Am Schluss greift die Autorin dann für meinen Geschmack auch etwas zu tief in die Klischee-Kiste. Die Hauptpersonen sind klar beschrieben, die Nebenpersonen leben ein eher blasses Leben. Vor allem die Eltern von June und Greta fallen kaum auf – und wenn, dann eher unangenehm, durch Engstirnigkeit und Ignoranz.
Ein paar Fehler sind der Autorin allerdings unterlaufen. In einem Kapitel beschreibt sie Donuts als „gedrehte Teilchen“, die aussehen wie DNA. Das ist ganz sicher nicht richtig, da Donuts runde Teilchen mit einem Loch in der Mitte sind. Außerdem lebt Luka, das Kind aus Suzanne Vegas gleichnamigem Lied im zweiten Stock, nicht im ersten („My name is Luka, I live on the second floor“). Von mir insgesamt einen Punkt Abzug, aber mit 4 Punkten immer noch eine absolute Lese-Empfehlung.
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