Nicht wirklich spannend, aber politisch aktuell und bedrückend.
„Unbarmherzig“ von Inge Löhning ist nicht wirklich ein Krimi, auch kein historischer Roman, kein Heimatroman, bezüglich des Genres ist das Buch nichts Ganzes und nichts Halbes. Aber trotz der Mischung hat die Autorin ein sehr gut zu lesendes Buch geschaffen, das den Leser aufgrund seiner politischen Aktualität ziemlich bedrückt zurücklassen kann.
Die Autorin verflicht mehrere Handlungsstränge sehr gekonnt miteinander. Zum einen den der Kriminalbeamtin Gina Angelucci, die nach zwei Jahren Elternzeit wieder zurück im Beruf ist. Sie ermittelt in alten ungeklärten Fällen, sogenannten Cold Cases. Und auch ihr Privatleben spielt eine Rolle im Roman, sowohl ihr Mann Tino, als auch ihre Tochter Chiara, die mit dem Down-Syndrom geboren wurde. Dazu kommt dann noch eine Stalkerin, die ihr das Leben schwer macht. Und nicht nur ihr, mir als Leser kam dieses Element des Romans ziemlich überflüssig und sehr aufgesetzt vor, irgendwie möchte das nicht ganz ins Buch passen.
Zwei skelettierte Leichen werden in dem (fiktiven) Ort Altbruck, 10km von Dachau entfernt gefunden. In diesem Wort war eine Munitionsfabrik, in der unter anderem auch Zwangsarbeiter und Strafgefangene beschäftigt waren. Die männliche Leiche ist gemäß Isotopenanalyse aus der Gegend, die weibliche stammt aus dem Baltikum. Die Ermittlungen, wer die beiden waren, was sie verband und vor allem auch, was sie mit dem Ort verband, sind der Kern des Buchs.
Parallel dazu verlaufen Handlungsstränge aus dem Dorf. Zwei seit Jahrzehnten verfeindete aber verwandte Familien, Geldnöte, Krankheit und dunkle Geheimnisse geben dem Buch ein bisschen Spannung, aber sie hält sich in Grenzen. Wer also einen Krimi erwartet, könnte enttäuscht werden.
Die Personen sind sehr anschaulich beschrieben, sympathische wie auch sehr unsympathische. Vor allem Gina und Ellen (die Finderin der Skelette) fand ich sympathisch, zwei starke Frauen, die mitten in Leben und Beruf stehen und versuchen, das Beste draus zu machen und allen Widrigkeiten trotzen. Obwohl das Buch schon der zweite Band um Gina Angelucci ist, konnte man ihn problemlos verstehen und hatte keine Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen.
Insgesamt fand ich das Buch sehr gelungen. Flüssig geschrieben, einfache Sprache (bis auf einige Sätze auf bayerisch) und politisch sehr aktuell. So greift die Autorin den aufkeimenden Rechtsextremismus auf „Die Rechten waren wieder da. Vermutlich waren sie nie weg gewesen. Und jetzt, wo der Wind sich drehte, krochen sie aus den Löchern und hofften, dass ihre Stunde kommen würde.“ Da das Buch in einem Ort spielt, der sehr nah an Dachau ist, einige der Personen den 2. Weltkrieg noch erlebt haben, bekommt der Leser hautnah beides mit: das „wir wussten von nichts“, aber auch die damals wohl üblichen Drohungen „sonst kommst du nach Dachau“. Dunkle Vergangenheit, oder sind wir auf dem besten Weg dazu, sie zu wiederholen? Klare Lese-Empfehlung und 4 Sterne.
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