Freitag, 17. April 2020

Die untalentierte Lügnerin - Eva Schmidt

Schon mit dem Abitur hatte Maren Schwierigkeiten, schaffte es nur auf den zweiten Anlauf. Und ihr Schauspielstudium musste sie aus gesundheitlichen Gründen abbrechen, ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik nach einer Überdosis folgte. Und im Anschluss zieht sie wieder bei Mutter Vera und Stiefvater Robert ein, was sie auf keinen Fall jemals wieder tun wollte. Vor allem mit ihrer Mutter hat sie ein Problem und ihre Mutter hat ein Problem mit ihr. Nach Ansicht ihrer Mutter ist sie schon immer an allem schuld. „Der Streit wäre vermutlich gar nicht eskaliert, wenn sich ihre Mutter nicht eingemischt hätte. In ihren Augen war Maren an allem schuld. Sie zerstöre die Familie, hatte Vera gesagt, lege es darauf an, sie, ihre Mutter, für was auch immer zu bestrafen, trete Roberts Großzügigkeit mit Füßen, treibe einen Keil zwischen sie und ihren Mann.“

„Die talentierte Lügnerin“ von Eva Schmidt ist stilistisch am ehesten eine Novelle. Das Buch beschreibt einen kurzen Ausschnitt aus Marens Leben und die in der Hauptsache schwierigen Verhältnisse zu anderen Menschen. Sie kommt mir vor wie ein Schiff ohne Steuermann. Treibt mal hierhin, mal dorthin im Leben. Eigene Wohnung, Job als Aufpasserin in einem Kunstmuseum, Hund, neuer Freundeskreis – Maren gibt sich auf jeden Fall viel Mühe, sich zu emanzipieren. Auch wenn die Grundlage für vieles in ihrem Leben schlichte Lügen sind. Nach und nach baut sie ein Lügenkonstrukt aus wilden Ideen mit wenig Plan auf. Mich als Leser haben die Ereignisse auf jeden Fall tiefer berührt, als Maren selbst, die ihren Alltag wie im Nebel zu erleben scheint und nicht wirklich teilnimmt.

Die Sprache der Autorin ist schlicht und wenig bildhaft. Alles in allem sehr nüchtern und monochrom, wie das Leben der Protagonistin. Eine Mischung aus kurzem und knappem Tagebuch und unmotiviertem Grundschul-Schulaufsatz. „Sie aß einen Teller Suppe, tunkte Brotstücke hinein. Es schmeckte gut. Danach ging sie in ihr Zimmer, legte sich aufs Bett, stand aber gleich wieder auf. Es war kalt. Sie hatte vergessen, das Fenster zu schließen, machte es zu. Am liebsten wäre sie wieder ins Freie gegangen. Doch es regnete. Außerdem war sie müde.“ – Emotionen sucht man in diesem Buch vergeblich, selbst in schwierigen zwischenmenschlichen Beziehungen bleibt die Autorin nüchtern und deskriptiv, nicht wertend. Aber zwischen den Zeilen findet sich ein komplettes zweites Buch. Eines voller Gefühle, Gedanken, Wünsche und Träume. Wenn man hinter den Nebel des Vordergründigen schaut, findet man es. Dann findet man das Buch auch gut – bleibt man in der Zweidimensionalität, findet man es vermutlich langweilig, langatmig und dröge.

Für mich war das Buch teilweise eine verstörende Reise in mein eigenes Leben, daher hat es mich tief berührt. Eine wilde Achterbahnfahrt durch toxisch-dysfunktionale Beziehungen. Die Geschichte liest sich nur im ersten Eindruck leicht weg. Tatsächlich war es eines der wenigen Bücher, die ich nicht querlesen konnte, praktisch jeder Satz hatte einen tieferen Sinn und einen Hintergrund. Von mir 5 Punkte und eine absolute Lese-Empfehlung.

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