Freitag, 11. Dezember 2020

Was uns verbindet - Shilpi Somaya Gowda

Karina und Prem, die beiden Kinder der Familie Olander sind ein Herz und eine Seele. Die indisch-amerikanische Familie, die im Mittelpunkt von Shilpi Somaya Gowdas Roman „Was uns verbindet“ steht, ist von England in die USA ausgewandert. Die Eltern Yaya und Keith haben es zu etwas Wohlstand gebracht, Haus mit Pool, gute Schule für die Kinder und ein weitgehend sorgenfreies Leben. Karina hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihren jüngeren Bruder zu beschützen. Und ausgerechnet sie ist alleine mit ihm zu Hause, als der Achtjährige im Pool ertrinkt.

Nach diesem Schicksalsschlag wird für die komplette Familie alles anders. Jeder trauert für sich alleine und Karina bleibt mehr oder weniger auf der Strecke, als die Familienmitglieder in unterschiedliche Richtungen auseinanderdriften. „Letzten Endes verlor Karina sowohl ihren Bruder als auch ihre Eltern. Sie ließen sich in dem Sommer scheiden, als sie sechzehn wurde, zwei Jahre nach Prems Tod.“

Trotz einiger Schwächen fand ich das Buch sehr bewegend. Das Thema „Verlust eines Kindes“, gekoppelt mit allseitigen Schuldgefühlen ist nicht leicht zu behandeln und manchmal hatte ich daher das Gefühl, die Autorin hat sich ab und zu ein bisschen verrannt und driftet in Klischees ab. Aber alles in allem ist es emotional beschrieben und sicher sehr realitätsnah. Alle drei verwaisten Familienmitglieder suchen nach dem Verlust einen neuen Anker im Leben und nach einem Weg, um mit ihren Schuldgefühlen klarzukommen. Für die Mutter ist es der Glaube, für den Vater neue Beziehungen und die Arbeit und Karina findet Trost in Schule und Lernen. Und, unbemerkt von ihrer Umwelt, beginnt sie, sich selbst zu verletzen, die „Flucht“ ins Studium scheitert und sie rutscht komplett ab.

Das Buch wird aus der Sicht aller Beteiligten erzählt, selbst der verstorbene Prem kommt aus dem Jenseits zu Wort. Ihm macht es zu schaffen, dass die Familie nach, seinem Tod, beziehungsweise durch ihn, zerbrach. „Ich hätte vorsichtiger sein sollen. Ich hätte versuchen sollen, länger zu bleiben. Ich wusste nicht, dass ich der Kitt war.“- was für eine traurige Schlussfolgerung. Traurig, aber sicher nicht realitätsfern, fand ich auch die Tatsache, dass die Eltern ihre Tochter völlig aus den Augen verlieren. Sie geben ihr zwar keine Schuld am Tod des Bruders, sehen aber fortan nur noch sich selbst und die Verzweiflung und die Schuldgefühle von Karina bleiben unbemerkt.

Die kulturellen Unterschiede innerhalb der Familie kommen zwar zur Sprache, werden mir aber zu wenig vertieft. Der amerikanische Banker und die indisch-stämmige Diplomatentochter haben, als es hart auf hart kommt, nichts mehr gemeinsam. Sie lebt fortan für ihre Religion als Ausdruck ihrer Kultur, er für Geld und Erfolg und Karina steht als Produkt ihrer einstigen Liebe und Mischung aus ihnen beiden zwischendrin und verliert Anker, Bezugspunkte und den Boden unter den Füßen, und das nicht nur wegen ihrer Trauer und der Schuldgefühle, sondern auch, weil sie nicht mehr weiß, wo sie dazugehört.

Das erste und das letzte Drittel des Buchs fand ich sehr gut, teils sogar spannend geschrieben. Der Mittelteil dreht sich für meinen Geschmack ein bisschen zu viel um Vater Keith und die Wirtschaftskrise. Sprachlich fand ich das Buch gut geschrieben und flüssig zu lesen. Die Geschichte ist gut konstruiert, die verschiedenen Erzähl-Ebenen (teilweise wird dasselbe Geschehen aus verschiedenen Perspektiven beschrieben) fand ich interessant. Der Inhalt ist auf psychologischer Ebene gut aufgearbeitet, klischeehaft, aber berührend und unterhaltsam zu lesen. Wer aber ein wirklich tiefgehendes Buch über Trauer und Verlust eines Kindes/Familienmitglieds sucht, ist mit diesem Buch eventuell nicht gut bedient. Von mir daher 4 Sterne.

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