Montag, 19. April 2021

Wenn die Toten sprechen - Claas Buschmann

Ganze drei Mal habe ich die Vorlesung „Gerichtliche Medizin für Juristen“ besucht, man könnte also mit Fug und Recht sagen, dass mich das Thema interessiert. Daher habe ich mich auch über das Buch „Wenn die Toten sprechen“ von Claas Buschmann sehr gefreut. Und der Rechtsmediziner hat ein sehr gutes und informatives, teilweise auch spannendes Buch geschrieben, das ich in einem durchgelesen habe. Einziger Kritikpunkt: es hätte gerne länger sein dürfen. Ich fand seine Art zu schreiben so angenehm und die zwölf von ihm beschriebenen Fällen so spannend, dass ich gerne weitergelesen hätte.

Aber von vorn.

Claas Buschmann, leitender Oberarzt der Rechtsmedizin der Berliner Charité, beschreibt in seinem Buch anonymisiert aufbereitet über eher ungewöhnliche uns spektakuläre Fälle, die er in seiner Laufbahn erlebt hat. Er ordnet sie gekonnt ein (für ihn sind nämlich auch ungewöhnliche Fälle manchmal Alltag) und beschreibt sie sachlich, manchmal sogar mit einem Hauch Witz, aber immer mit dem nötigen professionellen Abstand und dem gebotenen Anstand. Manche Fälle setzt er in einen erweiterten Kontext, schließlich kann er nicht nur auf seine Erfahrungen Rechtsmediziner zurückgreifen, sondern auch auf die als Rettungssanitäter. So schweift er ab und zu ein bisschen ab, aber er findet den roten Faden immer wieder.

Manche Fälle (be)rührten mich tief, andere ließen mich schaudern. So der Fall einer Frau, die von ihrem Lebensgefährten mit Benzin übergossen und angezündet wurde und bei lebendigem Leib im Treppenhaus vor den Augen von Nachbarn verbrannte. Oder die 12,2 Promille, die er bei einer zu Tode Gekommenen feststellte. Oder die brutalen Schlägereien und Messerstechereien, bei denen am Ende jemand tot war und die Täter die Leiche zur Vertuschung zerteilten. Die Fälle, mit denen es die Gerichtsmediziner:innen (nicht nur der Autor, sondern alle) zu tun haben, sind vielfältig und sehr oft sehr schrecklich. Ob es nun Tötungsdelikte, Suizide (er als Rechtsmediziner würde niemals „Selbstmorde“ sagen) oder Kunstfehler von Ärzten sind – jeder Tote ist in erster Linie ein Mensch mit einem Schicksal und erfahrungsgemäß kann nicht jeder Fall abschließend aufgeklärt werden und bei manchen kann der Täter trotz allem aus irgendwelchen Gründen nicht verurteilt werden.

Der Autor „nimmt den Leser auch ein bisschen an die Hand“, indem er immer wieder versucht, medizinisches und ein bisschen juristisches Wissen zu vermitteln. So kann seine Leserschaft einerseits dem Buch noch besser folgen, andererseits eventuell etwas „fürs Leben“ lernen. Außerdem räumt er mit einigen Mythen auf, die man aus den einschlägigen Krimis kennt. Dort verlangen Ermittler nämlich gerne schon am Tatort detaillierte Aussagen über Todesursache oder Tatwaffe. „Das wäre auch völlig unprofessionell“ – so die Aussage des Profis. Die genauen Aussagen können erst nach der Obduktion gemacht werden, später werden Rechtsmediziner auch oft als Gutachter in Gerichtsverhandlungen gehört. Und auch dass aus Krematoriumsasche noch DNA extrahiert werden könnte, gehört ins Reich der Märchen. („Es bleibt lediglich ein Häufchen Asche zurück. Und gegebenenfalls ein bisschen Metallschrott, der auf Herzschrittmacher, Zahnarbeiten und künstliche Gelenke schließen lässt. Nicht einmal DNA lässt sich aus der Krematoriumsasche noch gewinnen.“)

Claas Buschmann schreibt anschaulich und flott, vor allem im Vergleich zu seinen medizinischen Gutachten (ein paar zitiert er im Buch) sehr gut lesbar und verständlich und manchmal sogar launig, denn „Bisweilen ist es in der Rechtsmedizin sogar recht heiter“. Für mich war das Buch trotz des zum Teil wirklich harten Inhalts super zu lesen und daher eine klare Lese-Empfehlung (nicht nur für True-Crime-Fans) und 5 Sterne von mir.

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