Dienstag, 15. Juni 2021

Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau - Björn Stephan

Der 13-jährige Sascha Labude lebt im “alten Land“, er die gerade untergegangene DDR nennt. Er ist der Protagonist in Björn Stephans Debütroman „Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau“. 1989 ist der (fiktive) Ort Klein Krebslow mit seinem Neubaugebiet noch ein Prestige-Projekt (mit Fernwärme!). Was fünf Jahre später übrigbleibt, ist eine nicht fertiggestellte Plattenbausiedlung für Wendeverlierer und „Assis“, „die die nie das Treppenhaus wischen“. Wer kann, zieht weg, viele sind bereits gegangen und auch Saschas Familie träumt vom Umzug. Aber in der kurzen Zeit, bis es soweit ist, passiert im Leben des pubertierenden Jungen noch so einiges.

Mitten in seine Einöde zwischen dem apathischen Vater und der ehrgeizigen Mutter taucht Juri auf, eine eher wilde und unangepasste neue Mitschülerin. Sie bringt das Leben des Jungen völlig durcheinander, das sich bislang nur um Schule, seinen Freund Sonny und sein großes Hobby, das Sammeln fremder und ungewöhnlicher Wörter drehte. Denn Juri zeigt ihm, dass vieles und viele völlig anders sind, als er bislang dachte und er erfährt, wie es sich anfühlt, zum ersten Mal verliebt zu sein. Sascha schreibt die Geschichte ihrer gemeinsamen Zeit bis zum Ende (einer „Monsterkatastrophe“) auf und Juri findet über 20 Jahre später sein Manuskript, als sie nach dem Tod ihrer Mutter zum ersten Mal wieder in Klein Krebslow ist.

Das Buch lässt mich etwas ratlos zurück. Einerseits ist es ein gelungener Coming-of-Age-Roman, andererseits kann ich aber nicht wirklich viel damit anfangen, obwohl ich fast zur selben Zeit aufgewachsen bin, wie Sascha. Ich stamme allerdings aus dem tiefsten Schwaben, weshalb mir seine Welt bis zuletzt eher fremd blieb. Das macht das Buch allerdings nicht zu einem schlechten Werk. Es ist ein eher ruhiger Roman ohne wirkliche Höhepunkte, den Anfang fand ich sehr gelungen und packend, nur deshalb habe ich überhaupt weitergelesen. Aber danach schleicht sich die Handlung irgendwie still und leise durch die bedrückte Atmosphäre des Sommers 1994, einer Zeit zwischen Aufbruch, Verwirrung, Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit.

Die Charaktere fand ich gut und bildhaft ausgearbeitet, wirklich begeistern konnte mich allerdings keiner. Sascha bleibt bis zum Schluss eher blass und Juri fand ich durch ihr enormes Selbstbewusstsein und ihre Intelligenz eher anstrengend als sympathisch. Saschas Eltern bleiben bis auf wenige Auftritte sehr stark im Hintergrund und die größtenteils eher pseudo-philosophischen Denk-Ansätze von Herrn Reza konnten mich auch nicht vom Hocker reißen. Sprachlich bewegt sich der Autor elegant zwischen jugendlichem Slang und gewählter Ausdrucksweise, eine Gratwanderung, die den Tenor des Buchs widerspiegelt: jugendlicher Aufbruch in Form von Sascha, Sonny und Juri trifft auf die eher komplizierte Sprache des aus dem Iran emigrierten Herrn Reza und mittendrin stehen die Eltern, die einerseits der DDR nachtrauern, andererseits aber die Möglichkeiten der „sogenannten sozialen Marktwirtschaft“ sehen und nutzen wollen.

Für mich bleibt es ein Buch, das ich auch nach zweimaligem Lesen nicht so richtig einordnen kann. Es ist nicht schlecht, aber auch nicht gut und es wird mir vermutlich nur eines im Gedächtnis bleiben: „Letztlich sind wir dem Universum egal.“ Von mir daher 3 Sterne.

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