Donnerstag, 29. Juli 2021

Das Nest - Katrine Engberg

„Das Nest“ ist schon der vierte Teil von Katrine Engbergs Krimi-Serie um die Ermittler Anette Werner und Jeppe Kørner und ich frage mich wirklich, wie mir die Reihe bislang entgehen konnte. „Das Nest“ bietet alles, was ich mag: Spannung, eine ausgewogene Balance aus Ermittlungen und Privatem und ganz viel Kopenhagen. Die drei anderen Teile warten jetzt darauf, von mir gelesen zu werden.

Aber von vorn. Der 15jährige Oscar verschwindet spurlos. Ein seltsamer Abschiedsbrief stellt das Ermittler-Duo Anette Werner und Jeppe Kørner vor Rätsel und die Eltern des verschwundenen Jungen benehmen sich mehr als eigenartig. Kurz darauf wird eine Leiche in einer Müllverbrennungsanlage gefunden und der Leser findet sich samt der Polizei inmitten der Ermittlungen zwischen Trekroner Fort im Hafen von und der Müllverbrennungsanlage Amager Bakke wieder und in einer wahren Achterbahnfahrt, die mal hierhin und mal dorthin, aber (zumindest mich) immer in die falsche Richtung führte. Mehr möchte ich zum Inhalt gar nicht sagen, denn er ist lange sehr verworren und es ist fast unmöglich, etwas dazu auszuführen, ohne zu spoilern.

Denn bei den Themen greift die Autorin tief in die Wunderkiste. Von CO2-Emissionen über krude Familienverhältnisse und alkoholkranke Eltern, bis hin zu Korruption und Betrug, lässt sie praktisch nichts aus und schafft völlig unvorhergesehene Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Stränge, die anfangs parallel und voneinander unabhängig zu laufen scheinen. Nach und nach verbindet sie sie und schafft es, alles zu einem für mich völlig überraschenden aber durchaus stimmigen Ende zu bringen. An manchen Stellen wirkte die Geschichte für mich zwischen Totenmasken, Kunstwerken, Müllverbrennung und Toten ein bisschen überladen, aber die Autorin schafft es gekonnt, eventuell aufkommende Verwirrung zu beseitigen und ein konstant hohes Spannungslevel zu halten.

Sprachlich fand ich das Buch locker aus der Hüfte geschrieben und sehr flüssig zu lesen, manche Stellen fand ich sogar sehr poetisch („Die blassgrauen Augen erzählten die Geschichte eines gelebten Lebens, von Liebe, die aufgeblüht und verschwunden war, von Freundschaften, Arbeit, drei Kindern und einer Scheidung. Von kleinen Knien mit Pflastern, Pausenbroten, Sommerferien, Feierabendbieren und Segeltouren, von Versagen und Missverständnissen, von Beziehungskrieg und gebrochenen Herzen.“) Soweit ich es im Vergleich mit dem dänischen Original beurteilen kann, hat der Übersetzer in der Hauptsache gute Arbeit geleistet. Da es mein erstes Buch der Reihe ist, kann ich die Entwicklung der Protagonisten nicht beurteilen, aber ich finde sie sehr gut beschrieben und gut ausgearbeitet. Die Ermittler haben beide mit ihren privaten Problemen zu kämpfen, was sie aber insgesamt sehr sympathisch und menschlich macht. Am besten gefällt mir allerdings Jeppes „alte“ Freundin Esther, die ihm bei den Ermittlungen tatkräftig unter die Arme greift, und ihr Mitbewohner Gregers. Aber insgesamt fand ich die Umgebung, in der die Autorin ihren Krimi angesiedelt hat, schlicht atemberaubend. Ich hatte stets die Bilder vor Augen, die sie so lebendig beschreibt, konnte Trekroner, die kleine Meerjungfrau, Vesterbro und auch die (inzwischen eröffnete) Skipiste Copenhill auf Amager Bakke vor mir sehen.

Für mich war das Buch ein wirklicher Page-Turner, ich fand es enorm spannend und gut konzipiert, nach ein paar wenigen Anlaufschwierigkeiten konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen und habe es in einer Nacht durchgelesen. Von mir daher eine klare Lese-Empfehlung für alle, die Skandinavien im Allgemeinen und Kopenhagen im Speziellen mögen und spannende Krimis mit vielen Abartigkeiten zu schätzen wissen. Fünf Sterne

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