Donnerstag, 2. September 2021

Narbenherz - Anne Mette Hancock

„Narbenherz“ von Anne Mette Hancock war ein Krimi, der fast komplett auf meiner Linie lag. Er vereinte spannende Handlung, ein bisschen Privates der Hauptpersonen und ganz viel Kopenhagen, leider aber auch einige Klischees und Rassismus. Was bleibt war aber ein lesenswerter Krimi mit einem überraschenden Schluss. Das Buch, das im Original „Mercedes-Snittet“ (Der Mercedes-Schnitt) heißt, ist bereits 2018 im dänischen Original erschienen und der zweite Teil einer Reihe um den Polizisten Erik Schäfer und die Investigativjournalistin Heloise Kaldan. Schauplatz ist Kopenhagen und da verpackt die Autorin eine Menge Lokalkolorit in ihrer Geschichte. Mein bester Freund lebt dort und ich konnte mich wirklich in die Örtlichkeit einfühlen. Aber von vorn:

Der zehnjährige Lukas ist verschwunden, seine Eltern sind verzweifelt und die Polizei rechnet mit dem Schlimmsten. Sein Vater Jens ist der Arzt der Journalistin Heloise Kaldan, zudem besucht Lukas dieselbe Schule besucht, wie die Tochter ihrer Freundin Gerda. Dadurch hat die Journalistin einige persönliche Berührungspunkte mit dem Fall, zudem ist der ermittelnde Kommissar Erik Schäfer ein alter Freund von ihr. Daher versucht sie, ihm bei den Ermittlungen zu helfen und natürlich soll sie das Ganze aber auch für ihre Zeitung journalistisch aufbereiten. Als dann ein ehemaliger Soldat erschossen aufgefunden wird, stehen die Ermittler vor einem Rätsel: wie hängt das alles zusammen und tut es das überhaupt?

Narben, sichtbare, vor allem aber unsichtbare, sind das Hauptthema des Buchs. Kriegsveteranen, aber auch zivile Helfer in Kriegsgebieten tragen Traumata davon, mit denen sie selbst und ihr Umfeld leben müssen. Aber sie sind nicht die einzigen, die in der Geschichte unter Symptomen eines Posttraumatischen Belastungssyndroms leiden. Jeder der Charaktere hat sein Päckchen zu tragen, vor allem Heloise hat mit vielen privaten Problemen zu kämpfen. Und auch sonst ist nicht viel von der von Dänemark erwarteten Leichtigkeit, Weltoffenheit, schlicht dem „hygge“ zu sehen: die Geschichte ist bedrückend und düster, aber durchaus spannend und realitätsnah und der Schluss hat mich nach einigen Finten sehr überrascht.

Sprachlich fand ich das Buch sehr gut zu lesen, es ist flüssig und bildhaft geschrieben. Leider kommt die Autorin nicht ohne Klischees aus, so ist beispielsweise eine ganze Menge Rassissmus oder sonstige Diskriminierung eingebaut, dazu häusliche Gewalt – alles vermutlich durchaus realistisch beschrieben. Vor allem Kommissar Erik Schäfer lässt manchmal die gebotene Neutralität gegenüber „andersartigen“ vermissen, aber auch Heloise erweist sich häufig als eher unprofessionell und illoyal. 

Ich werde auf jeden Fall die anderen beiden Bücher der Autorin noch lesen, im dänischen Original gibt es mit „Pitbull“ auch schon den dritten Teil der Reihe, der auf Deutsch im kommenden Januar unter dem Namen „Grabesstern“ erscheinen soll. Vielleicht erfahre ich ja im ersten Teil Näheres über das Verhältnis von Heloise zu ihrem verstorbenen Vater, das in dem Band nur als schwierig dargestellt, aber nicht näher erklärt wird. Zwar kann man das Buch natürlich auch ohne Vorkenntnisse verstehen, aber die Probleme in Heloises Vergangenheit werden immer nur angedeutet, aber nicht näher erklärt.

Alles in allem fand ich das Buch einen eher mäßig spannenden, aber dennoch gelungenen Krimi mit einer ausgewogenen Balance aus Ermittlungen und Privatleben der Ermittler. Er ist größtenteils erfreulich unblutig und gut geschrieben, auch die Übersetzerin hat gute Arbeit geleistet. Allerdings wäre bei Spannung und Konzept ein bisschen Luft nach oben gewesen, daher vergebe ich vier Sterne.



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