Donnerstag, 23. September 2021

Why we matter - Emilia Roig

Gleichberechtigung für alle, von diesem Ziel sind wir noch weit entfernt, vielleicht weiter denn je. Emilia Roigs Buch „Why we matter. Das Ende der Unterdrückung“ ist ein viele Facetten von Unterdrückung umfassendes Werk. Die Aktivistin und promovierte Politologin beleuchtet aus eigener Erfahrung Themen wie Intoleranz, Vorurteile, Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und das Patriarchat. Das Buch ist kein reines Fachbuch, dazu ist es zu subjektiv. Aber es ist auch kein Roman, dazu ist es zu objektiv. Es ist meiner Meinung nach vielmehr eine gelungene, wenn auch anstrengende Mischung aus Biografie und Sachbuch.

Der Schwerpunkt des Buchs liegt ganz klar auf dem Thema Rassismus gegenüber PoC, aber auch andere Formen von Unterdrückung und Diskriminierung haben ihren Platz, denn sie finden immer und überall statt. Auf der Straße, in Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Gerichtssälen, in so gut wie allen Bereichen des täglichen Lebens. Und sie betreffen nicht nur PoC, sondern praktisch alle, die von anderen als „nicht normal“ angesehen werden. Menschen werden aufgrund von Hautfarbe, Gewichts, Geschlecht, sexueller Orientierung oder wegen unzähliger anderer Dinge diskriminiert oder gar getötet. Die Autorin, die ihre Leserschaft oft direkt anspricht, klärt minutiös auf und rüttelt auf. „Unterdrückung sichtbar machen“ ist eine ihrer Maximen, den Unterdrückten Stimme und Gesicht zu geben.

Sie räumt auf mit tatsächlichen und konstruierten Unterschieden, die nur existieren, um „Ungleichheiten in unseren Gesellschaften rechtfertigen“, oft flicht sie dabei historische Grundlagen ein. Sie benennt Privilegien und deren Fehlen, spricht von Glückhaben und dem „Wert“ des Menschen, der „von vielen willkürlichen Faktoren bestimmt wird: Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, Aussehen, Vermögen, Bildungsstand.“ Und nicht zuletzt geht sie darauf ein, dass alle Formen von Diskriminierung sich gegenseitig verstärken und erklärt damit den (mir bis dahin unbekannten) Ansatz der Intersektionalität. „Er bedeutet im Grunde: Diskriminierung innerhalb von Diskriminierung bekämpfen, Ungleichheiten innerhalb von Ungleichheiten sichtbar machen, und Minderheiten innerhalb von Minderheiten empowern. In anderen Worten: Leave no one behind.“

Dabei bleibt die Autorin in ihrer Kritik und trotz der vielen Erfahrungen, die sie beschreibt, im Tenor positiv. Sie hofft auf einen Wandel. „Die Welt sah 1950 anders aus als heute, und heute sieht sie anders aus, als sie 2080 aussehen wird. Die Grenzen der Normalität werden kontinuierlich neu verhandelt und neu definiert.“ In ihrem Buch regt sie mit jedem einzelnen ihrer wohlformulierten Sätze die Leserschaft zum Nachdenken und Hinterfragen an. „Lassen Sie uns mutig sein, und die bequeme Höhle verlassen.“ – Veränderung ist harte Arbeit, Ausdauer und Beharrlichkeit und setzt voraus, dass wir unsere Komfortzone aufgeben. Aber dann IST Wandel möglich. Und die Tatsache, dass „das schon immer so war und sich schon viel verbessert hat“, dass „nicht alle Männer/Weißen/usw.“ so sind oder gar „anderswo ist es noch viel schlimmer“, macht Diskriminierung und Unterdrückung nicht besser, sondern zeigt eher, dass wir auf einem guten Weg sind, aber noch ganz am Anfang stehen.

Es ist ein leidenschaftliches aber anstrengendes Buch und ganz sicher nichts für Nebenbei. Jeder Satz ist wichtig, jedes Wort ist präzise und jede Formulierung auf den Punkt. Manchmal wird das Thema für mich etwas zu stark seziert und durch ein Mikroskop betrachtet, manchmal fand ich das Buch trotz der vielen Erfahrungsberichte fast etwas „steril“. Dennoch ist es ein enorm wichtiges und gutes Buch aus dem ich viel mitnehmen und lernen konnte, vor allem über Kapitalismus, Sexarbeit, Bildungsgerechtigkeit und Wissen, da ich mir darüber aufgrund meiner privilegierten Stellung bislang kaum Gedanken gemacht hatte. Daher von mir aufgerüttelte fünf Sterne und eine klare Lese-Aufforderung.

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