Donnerstag, 18. November 2021

Die Leuchtturmwärter - Emma Stonex

Seit einem Urlaub in Irland und den Erzählungen über die Küste von Bray, üben Leuchttürme einen speziellen Zauber auf mich aus. Daher habe ich mich auf das Buch „Die Leuchtturmwärter“ von Emma Stonex sehr gefreut. Auf einem wahren historischen Hintergrund hat die Autorin eine fiktive Geschichte konstruiert, die Ihresgleichen sucht. Die Idee hinter dem Buch ganz fabelhaft, noch dazu fand ich den Stil der Autorin ganz zauberhaft. Ein paar Abstriche musste ich beim Lesen machen, aber alles in allem fand ich das Buch außergewöhnlich und eine äußerst lohnenswerte Lektüre, bis auf den Schluss, denn den braucht in der Form wirklich niemand.

Aber von vorn.

Im Dezember 1900 verschwanden drei Wärter von einem abgelegenen Leuchtturm auf der Insel Eilean Mòr. Diese historische Tatsache hat die Autorin ihrer Geschichte zugrunde gelegt, die sie aber ins Jahr 1972, beziehungsweise 1992 und von den Äußeren Hebriden ins südenglische Cornwall verlegt. Was bleibt ist aber, dass Arthur Black, William „Bill“ Walker und Vincent Bourne spurlos verschwunden sind und der Leuchtturm auf dem Maiden Rock von innen abgeschlossen ist. 1992 greift der Thriller-Autor Dan Sharp den Fall wieder auf und recherchiert im Umfeld der drei verschwundenen Männer und interviewt dabei ihre zurückgebliebenen Frauen/Freundinnen Helen, Jenny und Michelle. Und nach und nach setzt sich ein Puzzle zusammen, das die Leserschaft in seinen Bann zieht. Und tatsächlich ist das Verschwinden der drei Männer nicht das einzige Geheimnis, das im Lauf der Geschichte ans Tageslicht kommt.

Und so wird aus dem sehr gemächlich beginnenden Roman nach und nach ein unterschwellig spannendes Psychogramm mit sechs äußerst unterschiedlichen und vielschichtigen Charakteren. Jeder einzelne hat sein Päckchen zu tragen und in der Mitte stehen das Meer und der Leuchtturm als feste, reichlich unbeteiligte Größen. Ganz so, als wüssten sie, dass sie am Schluss immer noch da sein werden, egal, was passiert. Zugegeben, ich tat mich anfangs etwas schwer, Zugang zu dem Buch zu finden. Aber dann zogen mich vor allem die Teile in den Bann, in denen aus der Sicht der Männer auf dem Leuchtturm erzählt wird. Klaustrophobische Enge und Einsamkeit, das Aufeinanderprallen der Charaktere und die Macht des Meeres – hier schafft die Autorin eine mystische, packend dichte und sehr düstere Atmosphäre, die Ihresgleichen sucht. Die sich langsam entwickelnde Toxizität zwischen den Männern und der aufkommende Lagerkoller bauen eine bedrohliche Stimmung und eine latente Spannung auf, ohne dass die Geschichte tatsächlich spannend ist, denn die Leserschaft weiß: irgendwann wird irgendetwas passieren. Die Kapitel aus der Sicht der Frauen fand ich dagegen eher platt und fast langweilig. Aber auch sie haben ihre Daseinsberechtigung, denn obwohl die drei auf dem Turm nicht dabei waren, so sind sie an allem, was passiert, nicht unbeteiligt.

Das Konzept des Buchs finde ich wirklich gelungen. Es wird nicht nur aus verschiedenen Perspektiven, sondern auch auf zwei Zeitebenen erzählt. Die Sprache der Autorin ist bildgewaltig, fast poetisch, hier hat auch die Übersetzerin hervorragende Arbeit geleistet. Ich konnte sehr gut damit leben, dass die Charaktere allesamt etwas klischeehaft waren (Traumata, schwere Jugend, unglückliche Beziehung), aber den Schluss fand ich einfach nur enttäuschend. Den hat das Buch eigentlich nicht verdient. Formal kam er für mich nach so vielen so intensiv erzählten Geschichten zu überstürzt, er wirkte auf mich fast wie eine kalte Dusche, die mich aus der Geschichte herausriss, in die ich versunken war. Außerdem fand ich ihn inhaltlich absolut enttäuschend. Zumal das Verschwinden der Männer auf dem „echten“ Leuchtturm ja bis heute nicht geklärt wurde. Da hätte dem Buch ein offenes Ende gut getan, ich wurde das Gefühl nicht los, die Autorin wollte das Thema „abhaken“ und dem Publikum eine Lösung bieten.

Trotzdem fand ich das Buch ganz hervorragend und vergebe 4,5 Sterne, aufgerundet auf 5.

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