Montag, 8. November 2021

Franz. Schwul unterm Hakenkreuz - Jürgen Pettinger

Franz Doms wurde als Homosexueller ein Opfer des Nationalsozialismus, denn er wurde 1944 mit 21 Jahren in Wien hingerichtet. Jürgen Pettinger hat seine Geschichte im gleichnamigen Buch aufgeschrieben, teils fiktiv, teils aber auf authentischen Protokollen und Aussagen fußend. Herausgekommen ist ein einfühlsames Buch, das betroffen und nachdenklich macht. Der Autor schafft damit ein Denkmal, nicht nur für den Protagonisten, sondern stellvertretend für alle „vergessenen Opfer des Nationalsozialismus“.

Das Buch ist für die Leserschaft keine leichte Kost. Der Tod des Protagonisten ist stets präsent, auch wenn sein Leben eigentlich das Thema ist. Die immer wieder eingeflochtenen und in einer anderen Schriftart gesetzten Auszüge aus Vernehmungen und Akten, lassen das Publikum eines nie vergessen: am Ende der Geschichte steht sein Tod. Bis dahin ist das Buch aber die kurze Biografie eines eher unangepassten jungen Mannes. Als einziger in der Familie ging er nach dem Volksschul-Abschluss zur Handelsschule, lernte Kurzschrift und Maschineschreiben. Aber glücklich wurde er damit nicht, irgendwie scheint er das schwarze Schaf in der Familie gewesen zu sein. Sein älterer Bruder interessiert sich nicht wirklich für ihn, aber seine Schwester Josefine kümmert und sorgt sich um ihn, denn der gutaussehende junge Mann pflegt einen Lebensstil, den er sich als ungelernter Bürodiener eigentlich nicht leisten kann. Schnell gibt es in der Nachbarschaft Gerüchte und Gerede, vor allem auch, weil er oft betrunken ist und sich dann lautstark mit seiner Schwester streitet. Aber ihm ist es lieber, dass er für einen Gauner gehalten wird, als für einen „Warmen“, denn tatsächlich waren die Zeiten für Homosexuelle oft gefährlicher als für Kleinkriminelle.

Sprachlich ist das Buch eher schlicht und manchmal mit ganz klar österreichischem Zungenschlag geschrieben. Und dennoch schafft der Autor es, mit seinen einfachen Worten eine packende, tragische, berührende und auch wütend und betroffen machende Geschichte zu erzählen. Über die Suche nach Liebe, Zuneigung und den Platz im Leben, über die Sorge einer Schwester um ihren Bruder, über Gefahren durch Denunzianten und falsche Freunde, Polizeibrutalität und das Leben als Außenseiter in einem Unrechtsstaat. Auch die eher unrühmliche Rolle der Kirche wird am Rande angesprochen.

Die Charaktere sind vom Autor gut und gründlich ausgearbeitet, da das Buch bis auf die Verhörprotokolle aus den verschiedenen Strafverfahren gegen Franz Doms fiktional ist. Aber das „so hätte es sein können“, macht aus dem Buch ein gleichermaßen bedrückendes wie berührendes Werk. Besonders Franz beschreibt der Autor meiner Meinung nach fast liebevoll-freundschaftlich, als hätte er ihn wirklich gekannt. Er schildert ihn als unangepassten, manchmal sehr naiven junger Mann mit Flausen und dem Traum der großen Liebe im Kopf, aber immer loyal und bis zum Schluss eher um andere besorgt, als um sich selbst.

Angesichts der aktuellen politischen Lage in Europa macht dieses Buch traurig und betroffen – und es macht mir persönlich Angst vor dem, was auf die Menschen hier, und nicht zuletzt auf mich selbst, zukommen mag. Daher empfehle ich dieses Buch nicht nur von ganzem Herzen, ich fordere jeden auf, es unbedingt zu lesen und daraus zu lernen. Fünf Sterne.

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