Mittwoch, 19. Januar 2022

Der Sucher - Tana French

„Der Sucher“ ist der Titel von Tana Frenchs neuestem Roman. Ob das Buch nun „meisterhaft“ ist, wie die Washington Post schreibt, sei dahingestellt, mich lässt es eher zwiegespalten zurück. Aber es ist ein durchaus unterhaltsames Buch mit vielen Wendungen, interessanten Charakteren und einem ansprechenden Setting. Das gemächliche Tempo, mit dem sich die Geschichte entwickelt, hat mich allerdings immer wieder zum Querlesen verleitet und oft habe ich mich gefragt, wo es überhaupt hinführen wird. Manche mögen es „atmosphärisch“ oder „charmant“, vielleicht sogar „literarisch“ finden – ich fand es über lange Strecken relativ langweilig.

Aber von vorn. Der 48jährige ehemalige Polizist Cal verlässt Chicago und kauft sich ein Häuschen in der irischen Kleinstadt Kilcarrow. Die Idylle bekommt einen Knacks, als er mitbekommt, dass in seiner Nachbarschaft Schafe getötet werden. Und dann setzt der Satz des 13jährigen Teenies Trey „Mein Bruder ist verschwunden“ eine Dynamik in Gang, die Cal zu eigenen Ermittlungen bringt und ihm Einblicke ins Dorfleben gibt, auf die er vermutlich gerne verzichtet hätte. So weit, so spannend. Hätte es zumindest sein können. Doch das Verschwinden des 19jährigen Brendan schafft es nicht, das wirklich tragende Thema der Geschichte zu werden. Es geht schlicht immer wieder zwischen reichlich Dialogen und Beschreibungen unter, die nicht wirklich irgendwo hinführen, sie mäandern ebenso, wie der Fluss, an dem Kilcarrow liegt.

Und ehrlich gesagt hat mich die Sprache der Autorin auch nicht wirklich begeistern können. Es war mein erstes Buch von Tana French und ich denke, es wird auch das einzige bleiben. Die Sätze sind teilweise sehr lang und verschachtelt und bei „Das Badezimmerfenster geht so reibungslos und leise auf, als wäre es mit Kontaktspray eingesprüht worden, was es auch wurde.“ oder „Die Spaghetti strapazieren die Kauwerkzeuge, und die Bolognesesoße ist kräftig mit Minze, Koriander und irgendwas gewürzt, das wie Anissamen schmeckt. Das Ganze passt irgendwie, solange Cal es nimmt, wie es ist.“ habe ich mich wirklich gefragt, was die Autorin damit eigentlich bezwecken will.

Insgesamt ist mir das Buch zu klischeehaft und in manchen Punkten passt es nicht so richtig ins 21. Jahrhundert, da hilft auch die Verwendung von WhatsApp und Facebook nicht. Trey wird, obwohl schon 13 Jahre alt, immer wieder als Kind bezeichnet. Die meisten Männer sprühen nur so vor Maskulinität und die Szenen im Pub triefen vor Testosteron. Und wie Cal auf die Aussage kommt, dass 20 ein typisches Alter ist, um Suizid zu begehen, kann ich mir nicht erklären. Trey und Cal sind die beiden gut ausgearbeiteten Protagonisten des Buchs, wobei bei beiden auch sehr viel Stereotyp zum Tragen kommt. Cal ist ein typischer Städter auf dem Land (keine Ahnung, wie er überhaupt mit dem irischen Englisch der Bewohner klarkam und die mit seiner Sprache), außerdem ein klischeehafter Polizist, der einen Verdächtigen durch Folter zu einer Aussage bringt (die moralische Komponente an dieser Stelle war für mich einer der wenigen wirklich tiefgründigen Momente des ganzen Buchs). Abgesehen davon fand ich ihn eigentlich sympathisch. Mein Favorit ist allerdings Trey, das Kind aus schwierigen Verhältnissen, ein Teenie mit eigenem Kopf und Ecken und Kanten.

Rückblickend fand ich das Buch weder besonders schlecht noch übermäßig gut, höchstens solides Mittelmaß, vermutlich am ehesten etwas für Fans von Tana French und irischen Kleinstädten. Spannung sollte man auf jeden Fall nicht erwarten, wenn man anfängt das Buch zu lesen und auch Kleinstadt-Charme und gut beschriebene schrullige Bewohner sucht man eher vergebens. „Egal, was er tut oder nicht tut, er kann sich nicht vorstellen, wie diese Sache gut ausgehen soll. […] Hier gibt es kein Happy End.“ Ein Epilog hätte dem Buch dennoch gutgetan, denn obwohl der Schluss stimmig ist, kommt das ganze über ein „ist okay“ nicht hinaus. Daher vergebe ich 3 Punkte.

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