Donnerstag, 13. Januar 2022

Der Blutkünstler - Chris Meyer

Tom Bachmann ist „Seelenleser“ oder professionell ausgedrückt: Profiler. Sein Lebensinhalt ist die Bekämpfung des Bösen und da hat er in Chris Meyers Thriller „Der Blutkünstler“ jede Menge zu tun. In verschiedenen Teilen der Republik kommen über mehrere Jahre verteilt vier Frauen grausam zu Tode. Sie werden gequält und ihre Leichen grotesk, als kleine Mädchen verkleidet, als eine Art gruseliges „Kunstwerk“ zur Schau gestellt. Tom Bachmann wird hinzugezogen und die Ermittlungen nehmen Fahrt auf. Und dann taucht ein Kindheitsfreund auf, der früher fast wie ein Bruder für ihn war.

Chris Meyer schreibt einfach und bildhaft. Alles in allem ist das Buch, auch dank der kurzen Kapitel, flüssig zu lesen. Zudem ist er in seinen Beschreibungen schonungslos und das Buch ist nichts für schwache Nerven. Insgesamt hat der Autor bei dem Buch also nichts falsch gemacht. Er hat alle essenziellen Aspekte abgehakt. Und darin liegt die Krux: es wirkt manchmal wirklich, als habe er eine Checkliste zum Thema „was braucht ein gelungener Thriller“ abgehakt. Ermittler mit traumatischer Vergangenheit, der mit Schlaflosigkeit und seinen Dämonen kämpft. Feministische Ermittlerinnen. Mehrere brutale Morde. Manipulative Erwachsene, die Kinderleben zerstören. Aber dennoch schafft es das Buch für mich nicht, sich vom guten zum herausragenden Thriller zu mausern.

Das liegt einerseits an den Charakteren, die ich einfach zu klischeehaft finde. Tom finde ich eher interessant als sympathisch. Seine überbordende Genialität fand ich stellenweise sehr anstrengend (vor allem, weil ich ihn gar nicht so genial fand) und auch seine Handlungen waren nicht einmal dann immer nachvollziehbar, wenn man seine Vergangenheit kennt. Er wirkt sehr unnahbar und distanziert, sein Privatleben beschränkt sich auf Sport, Computerspiele und One-Night-Stands, was die Frage für mich aufwirft, inwieweit er selbst ein Psychopath sein könnte („Psychopathie war im Prinzip nichts anderes als eine Persönlichkeitsstörung, und Tom hatte sich in seinem Leben nicht nur einmal gefragt, ob er auch davon betroffen sein könnte. Zumal eines alle Psychopathen einte: Sie konnten nicht lieben.“). Neben ihm wirken alle anderen Charaktere etwas blass und insgesamt fand ich die Personen nicht ganz ausgereift.

Erzählt werden alle vier Handlungsstränge aus der Sicht eines allwissenden Erzählers. Ein Handlungsstrang spielt in Toms Kindheit in den 1980er Jahren, der zweite hat den Blutkünstler zum Protagonisten, der dritte einen lange unbenannten „Beobachter“ und natürlich ist der „Hauptstrang“ die Ermittlungsarbeit. Der Autor flicht in seine Thriller-Handlung einige interessante Fakten aus der Psychologie ein. Vor allem seine Ausführungen zu Psychopathen fand ich sehr nützlich.

Der Spannungsbogen war für mich nicht konstant, nach einem Paukenschlag-Auftakt flacht er rasch ab. Aber wirklich langweilig fand ich das Buch zu keiner Zeit, auch wenn der Autor manchmal die Spannung durch schieren Ekel erzeugt. Was mich allerdings wirklich frustriert hat, ist der Schluss. Der überraschte mich zwar, kam aber einfach zu abrupt und der Hinweis auf den Mörder kam praktisch aus dem Nichts. Kann man cleveren Twist nennen oder unterstellen, dass Chris Meyer rasch zum Schluss kommen wollte und daher seinem Publikum einen fast willkürlich ausgewählt wirkenden Täter präsentiert hat. Hier fehlte mir ein bisschen die Logik und die Ermittlungsarbeit des ach so genialen Profilers ist doch nicht so genial, denn er weiß selbst bis zur Demaskierung nicht, wer hinter dem Blutkünstler steckt.

Alles in allem ist das Buch ein solider Thriller, dem aber das Alleinstellungsmerkmal fehlt. Er wird mir vermutlich nicht im Gedächtnis bleiben. Da es der Auftakt zu einer Serie ist, bleibt zu hoffen, dass der Autor die Charaktere weiter entwickeln wird und seinen eigenen Stil findet, statt sich an tausendfach bewährte Rezepte zu halten. Von mir für die gute Idee, die sprachlich wirklich gute Umsetzung und die gute Unterhaltung aber vier Sterne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.