Freitag, 7. Januar 2022

Weiter Himmel - Kate Atkinson

Ein zusammengepuzzelter Roman mit wenigen Lichtblicken und noch weniger Spannung

„Weiter Himmel“ von Kate Atkinson ist wirklich ein Buch, das es mir nicht leicht gemacht hat und an dem ich beinahe gescheitert wäre. Ich fand von Anfang an sehr schwer Zugang, obwohl die Geschichte an sich sehr viel Potential versprochen hat. Irgendwie hatte ich das Gefühl, die Autorin hat das brisante und interessante Thema mit Nebengeschichten und Ausschweifungen zerredet und damit jegliche mögliche Spannung komplett zerlegt. Wie schon „Die vierte Tochter“ konnte mich auch der fünfte Band um den Privatermittler Jackson Brodie nicht begeistern und ich werde Autorin und Serie wohl abhaken. Lesen kann man das Buch durchaus auch ohne Vorkenntnisse aus den anderen Teilen, fürs Verständnis braucht man sie nicht.

Aber von vorn.

Andy, Steve und Tommy sind „die drei Musketiere“, drei gutsituierte Familienväter mittleren Alters, die gemeinsam Golf spielen. Sie sind gesellschaftlich anerkannt, sozial gut aufgestellt und führen ein scheinbar geordnetes Leben. Aber hinter der schönen Fassade sieht es anders aus, denn ihr finanzielles Polster stammt aus einem ebenso einträglichen wie illegalen Nebengeschäft. Als dann eine Frau aus ihrem direkten Umfeld zu Tode kommt und die Polizei und der Privatdetektiv Jackson Brodie ermitteln, führen nach und nach alle Wege zum Golfclub und den drei Männern. Und die Entdeckungen, die gemacht werden, sind schockierend.

Eigentlich ist in dem Roman von Anfang an klar, worum es geht: Mädchenhandel. „Sie waren nicht dumm, sie wussten von Menschenhandel, von Leuten, die Mädchen davon überzeugten, dass sie gute Jobs bekommen würden, richtige Jobs, und dann endeten sie unter Drogen gesetzt in einem dreckigen Loch, wo sie mit einem Mann nach dem anderen Sex haben mussten, und sie konnten nicht zurück nach Hause, weil ihnen die Pässe weggenommen worden waren und sie sich erst wieder »verdienen« mussten. APA war nicht so.“

Natürlich ist es auch in diesem Buch nicht so. Natürlich werden auch in diesem Buch Mädchen mit falschen Versprechungen nach Großbritannien gelockt. Die Autorin greift damit ein ebenso schreckliches wie aktuelles Thema auf. Leider schafft sie es aber nicht, es wirklich gut aufzubereiten. Sie verheddert sich in verwirrenden und überflüssigen Nebengeschichten und schafft es für mich weder eine klare Linie noch einen Spannungsbogen aufzubauen. Über weite Teile des Buchs kommen weder die Geschichte noch die Ermittlungen einen Schritt vorwärts. Einzig gegen Schluss kommt ein bisschen Tempo und Spannung in die Handlung, das Ende an sich ist schlüssig, aber da hatte ich mit dem Buch innerlich schon abgeschlossen.

Die Autorin prangert Scheinheiligkeit und moralischen Verfall an, und dass in der „besseren Gesellschaft“ vieles mehr Schein als Sein ist (mit Hinblick auf Prinz Andrews Freundschaft verurteilten Pädophilen sicher berechtigt). Aber für eine wirkliche Gesellschaftskritik fehlt mir die Tiefe.

Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, einen Bezug fand ich dennoch zu keinem. Jackson Brodie, der Held der Serie, verkommt zur Randfigur, die Ermittlungen übernehmen die Polizistinnen mit den durchaus männlichen Namen Reggie und Ronnie (in Anlehnung an die Kray-Brüder). Außerdem fand ich das Buch durch die vielen Personen und die oft wechselnde Erzählperspektive sehr unruhig. Die Wortwahl ist eher einfach, die Sätze hingegen oft wirr und überladen, vor allem durch die vielen Sätze in Klammern. Der ansprechende und überraschende Schluss konnte es auch nicht retten und die Enttäuschung blieb.

Sonst war das Buch aber nicht mein Fall. Das Thema hätte so viel mehr hergegeben als die Autorin daraus gemacht hat. Ja, sie prangert an, dass in der „besseren Gesellschaft“ vieles mehr Schein als Sein ist (mit Hinblick auf Prinz Andrews Freundschaft verurteilten Pädophilen sicher eine berechtigte Aussage) und insgesamt spielt sie viel auf Moral und deren Verfall an. Aber das reicht einfach nicht. Schade. Daher vergebe ich zwei Sterne.

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