Montag, 3. Januar 2022

Eis. Kalt. Tot - Anne Nørdby

Nach „Kalter Strand“ und „Kalte Nacht“ hat Anne Nørdby mit „Eis. Kalt. Tot.“ einen enorm spannenden Thriller mit sehr hohem Ekelfaktor nachgelegt. Zwar habe ich Tom Skagen als Ermittler vermisst (für seine Fans gibt es übrigens demnächst „Kalter Fjord“), aber mit der in Grönland geborenen Super-Recognizerin Marit Rauch Iversen und dem Ermittler Jesper Bæk hat sie ein für mich ansprechendes neuen Duo ins Leben gerufen.

Aber von vorn. Ein Mörder, den die Presse „Horrormetzger“ nennt, treibt im winterlichen Kopenhagen sein Unwesen. Die Sonderkommission „Eisscholle“ ist hinter ihm her, er ist den Ermittlern aber immer mindestens einen Schritt voraus. Der Killer ist unbeschreiblich grausam, zudem hat er eine ganz spezielle Handschrift: er „bastelt“ aus den Überresten seiner Opfer bizarre neue „Wesen“. Es dauert eine Weile, bis die Ermittler diese mit den Mythen der grönländischen Inuit in Verbindung bringen. Die Erkenntnis bringt sie zwar einerseits weiter, macht aber andererseits den Fall noch wesentlich komplizierter und undurchsichtiger. Dazu kämpft Kommissarin Kirsten Vinther an mehreren Fronten: die Jagd nach dem Mörder, aber auch die Suche nach dem Maulwurf in den eigenen Reihen, denn die Presse veröffentlicht Informationen, die sie überhaupt nicht haben dürfte. Und dann gibt es weitere Opfer.

Ich bin ein großer Fan von Nordic-Noir-Thrillern im Allgemeinen und von dänischen im Besonderen. Anne Nørdbys Bücher haben mich bislang nicht enttäuscht, so auch dieses nicht. Es hat mich schon mit dem Prolog aus persönlichen Gründen gepackt, denn der spielt in direkter Nachbarschaft von meinem besten Freund. Und auch sonst hat mich das Buch die ganze Zeit über gefesselt: die düstere und beklemmende Atmosphäre, die die Autorin schafft, ist dicht und packend, Verschnaufpausen gönnt sie der Leserschaft immer nur am „Ende des Tages“, wenn die Ermittler das Ermitteln sein lassen und in den Feierabend gehen. Ob Kirstens oder Jespers kompliziertes Privatleben – die Ausflüge ins Private sind oft aufschlussreich und eine wohltuende Abwechslung bei so viel Brutalität und Gewalt im Rahmen der Ermittlungen.

Die grönländischen Mythen waren mir seit den Büchern von Mads Peder Nordbo bekannt, daher fand ich vor allem die Themen Allaq und Tupilaq von der Autorin hervorragend aufgearbeitet, ich hätte mir eventuell ein bisschen mehr Tiefe gewünscht, das hätte aber vermutlich neben Themen wie Geldgier und Umweltzerstörung in Grönland (vor allem durch die verlassenen US-Air-Bases) den Rahmen des (ohnehin mit über 500 Seiten nicht gerade schlanken) Buchs gesprengt.

Sprachlich fand ich den Thriller wieder sehr gut gelungen. Er ist flüssig zu lesen, allerdings ist er weder thematisch noch in der Wortwahl etwas für zarte Gemüter. Schimpfworte und derbe Beleidigungen sind ebenso an der Tagesordnung wie blutige Beschreibungen unglaublich brutaler Taten. Jedes einzelne der aus unterschiedlichen Perspektiven erzählten Kapitel endet mit einem Cliffhanger, was das Buch zu einem absoluten Pageturner macht. Der Schluss ist stimmig, wobei die Autorin ihre Leserschaft immer mal wieder in eine völlig falsche Richtung lotst, auch mich hat die Auflösung des Falls ziemlich überrascht. Einzig die Auflösung, wer der „Maulwurf“ im Team ist, der Informationen an die Presse weitergibt, fand ich ein bisschen unbefriedigend.

Die Charaktere sind sehr speziell und nicht unbedingt Sympathieträger. Vor allem die forsche Art von Kirsten Vinther fand ich sehr anstrengend. Ihren Umgang mit Jesper, dem „dahergelaufenen Landei“ fand ich äußerst unprofessionell und machte sie für mich wirklich zu einer Chefin aus der Hölle. Jesper fand ich trotz seiner eher „unmännlich“ weichen Art wesentlich angenehmer.

Für mich war die Lektüre dieses gut konstruierten komplexen Thrillers wieder einmal ein Fest und ich lege ihn jedem ans Herz, der kein Problem mit brutalen und blutigen Beschreibungen hat, die die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele zeigen. Von mir daher fünf Sterne.

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