Dienstag, 12. April 2022

Schuld! Seid! Ihr! - Michael Thode

 Zu Anfang tat ich mich mit Michael Thodes Buch „Schuld! Seid! Ihr!“ zugegebenermaßen schwer. Der theaterstückartige Aufbau machte mir das Hineinkommen in den Thriller etwas holprig. Aber als ich mich daran gewöhnt habe, dass das Buch in sechs Akte gegliedert ist, von dem jeder einem Opfer gewidmet ist und außerdem jedes Kapitel mit einer Art „Regieanweisung“ überschrieben ist, ließ es mich nicht mehr los. Denn eigentlich sind die Beschreibungen sehr nützlich: man weiß immer, wo sich die Charaktere befinden, in welchem der Zeitstränge das Kapitel spielt und aus welcher Perspektive es erzählt wird. Da das Buch für mich am Anfang ziemlich undurchschaubar war, waren solche Fakten durchaus hilfreich. 

Aber von vorn.

Ein obdachloser Mann wird tot aufgefunden. Todesursache: eine Überdosis Strychnin. Bei der Leiche wird die Tarotkarte „Der Gehängte“ gefunden. Kurz darauf das zweite Opfer: ein pensionierter Polizist stirbt an einem Herzinfarkt, der sich später ebenfalls als Strychninvergiftung herausstellt. Bei ihm wird die gleiche Tarotkarte gefunden. Damit ist sehr schnell klar, dass die beiden Morde zusammenhängen. Für Kommissar Rolf Degenhardt und seine Kollegin Jana Liebisch beginnt damit nicht nur die Ermittlungsarbeit, sondern auch ein rasanter Wettlauf gegen die Zeit. Denn, als die Polizei eine Ahnung bekommen hat, worum es dem Täter geht, ist den Ermittlern klar, dass er auf seinem Rachefeldzug wieder zuschlagen wird. 

Das Buch ist der zweite Teil der Reihe um die beiden Ermittler Rolf Degenhardt und Jana Liebisch, es ist aber problemlos auch ohne Vorkenntnisse zu lesen. Das Konzept des Thrillers war für mich ungewöhnlich und gewagt, aber der Plan des Autors geht (zumindest bei mir) auf: durch den theaterstückartigen Aufbau, die beiden Zeitstränge und verschiedenen Perspektiven schafft er eine fesselnde Geschichte, die man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Selbst die fast tabellarischen Aufzählungen und Berichte, die der Autor einflicht, sind stimmig und passend. Die Zeitstränge spielen im „heute“ und in der bis zu 22 Jahre zurückliegenden Vergangenheit, die Kapitel sind überschrieben mit „Der Gehängte“ (also der Mörder) und „Die Anderen“ (das können sowohl die Ermittler als auch die Opfer sein). Äußerst pikant ist auch die Tatsache, die sich nach und nach herausstellt: der Mörder stellt seine Opfer vor die Wahl, entweder selbst durch Gift zu sterben oder einen ihnen wichtigen Menschen zu „opfern“. 

Die Charaktere fand ich hervorragend beschrieben und sehr gut ausgearbeitet, selbst in den Mörder konnte ich mich gut einfühlen. Die „Vorworte“ zu den sechs Akten beinhalten Wissenswertes über Tarot und Tarotkarten, was ich sehr interessant fand. Die Balance, die der Autor zwischen den Taten aus Sicht von Täter und Opfer, der eigentlichen Ermittlungsarbeit und dem Privatleben der Ermittler findet, finde ich ausgewogen, wobei Jana Liebisch wesentlich blasser bleibt als ihr Kollege. Über Rolf Degenhardt erfährt man wesentlich mehr, seine gescheiterte Ehe und der Einzug seiner Tochter Alexandra bei ihm nehmen einigen Platz in den über 100 zum Teil sehr kurzen Kapiteln des Buchs ein. Personalpolitische Dinge aus der Polizeidienststelle werden meiner Meinung nach zu ausführlich behandelt.

Sprachlich fand ich das Buch sehr flott zu lesen, zum Schmunzeln brachte mich eine kleine Passage auf Plattdeutsch. Die kurzen Kapitel verleihen dem Thriller zusätzliche Geschwindigkeit und Spannung. Insgesamt ist der Spannungsbogen ziemlich hoch, aber durch Nebenhandlungen wie Degenhardts Privatleben oder das Geplänkel in der Dienststelle wird er immer wieder unterbrochen.

Der Schluss ist zwar schlüssig und stimmig, kam für mich aber ein bisschen überstürzt, fast, als hätte der Autor irgendwie die Lust an der Geschichte verloren und wollte schnell zum Ende kommen. Dennoch war das Buch für mich wirklich unterhaltsam und packend, für den etwas zu abrupten Schluss ziehe ich einen Stern ab und vergebe vier Sterne.


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