Donnerstag, 2. Juni 2022

Die Hohenzollern und die Nazis - Stephan Malinowski

 Als jemand, der am Fuß von Burg Hohenzollern in Hechingen aufgewachsen ist, hat mich „Die Hohenzollern und die Nazis“ von Stephan Malinowski natürlich sehr interessiert. Und, obwohl es ein Sachbuch ist, hat mich das Buch von der ersten Seite in seinen Bann gezogen. Viel wusste ich über den örtlichen Adel abgesehen von den Besuchen ihrer Burgen in Hechingen und Sigmaringen nicht. Und da ich nicht dabei war und kein Historiker bin, muss ich mich drauf verlassen, dass es stimmt, was Stephan Malinowski schreibt, schließlich hat er jahrelang recherchiert. Daher kann und möchte ich auf den Wahrheitsgehalt seines Buchs nicht eingehen. Fakt ist aber, dass er seine Thesen mit zahlreichen Quellen untermauert. Herausgekommen ist ein lesenswertes Buch über Adel, antidemokratische, antisemitische, reaktionäre und national(sozial)istische Gesinnungen, Geltungssucht und rücksichtsloses Machtstreben.

Aber von vorn.

Der Streit des Hauses Hohenzollern um Entschädigungen für die Besitztümer, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland, also der Sowjetisch Besetzten Zone, enteignet worden sind, zieht sich nun schon seit 2014 und die Debatte zieht weite Kreise, auch in den Medien. Einer der Gutachter in der Sache ist der Historiker Stephan Malinowski, der im Auftrag des Landes Brandenburg beleuchten sollte, ob und inwiefern Wilhelm Kronprinz von Preußen seinerzeit dem Nationalsozialismus erheblich Vorschub geleistet hat (Titel: „Gutachten zum politischen Verhalten des ehemaligen Kronprinzen Wilhelm Prinz von Preußen (1882-1951)“). Das Gutachten wurde vom Haus Hohenzollern angefochten, das Malinowski (und in anderen Zusammenhängen einige seiner Kollegen) anzeigte. Seine Ergebnisse konnten dem Adelsgeschlecht natürlich nicht gefallen, denn der Historiker kam zum eindeutigen Schluss, dass die Hohenzollern nicht nur nichts gegen den Vormarsch der Nationalsozialisten tat, sondern sogar vielmehr ein „Werbeträger“ für die Nazis war. Schließlich hatte man eines ganz sicher gemeinsam: die Ablehnung der Republik, wobei das Haus Hohenzollern natürlich auf eine Wiederkehr der Monarchie hoffte.

Auch wenn das Haus Hohenzollern mit autorisierten Texten in der Zeit nach 1945 immer wieder versucht hat, die Weste weiß zu waschen und das öffentliche Image aufzupolieren, so zeichnet Stephan Malinowski ein anderes Bild der drei Generationen von 1918 bis heute. Pointiert, brillant und manchmal fast süffisant schreibt er in seinen sechs Kapiteln erst über sehr viel Privatleben, dann aber über „Paktieren“, ja sogar von „Anbiederung bei den Nazis“. Später wurde die Rolle relativiert und als „unbedeutend“ („Der Einfluss des insgesamt unbedeutenden Kronprinzen habe nur einen kurzen Zeitraum umfasst“) dargestellt, in den 1950er Jahren entstand sogar das Narrativ, die Hohenzollern seien ein Teil des Widerstandes gewesen. In seinem Buch stützt sich Malinowski aber überwiegend auf historische Quellen, die die Außenwirkung der Hohenzollern zeigen. Er zitiert Zeitungsartikel und Veröffentlichungen aus dem In- und Ausland, die ihre Nähe zu den Nazis nach 1933 aufzeigen. Bei der Lektüre stellt man fest, dass die Beziehung eine symbiotische war, denn beide Seiten hatten mehr gemeinsam, als die Hohenzollern heute sehen wollen und beide wollten von ihrer Kollaboration auf ihre Weise profitieren.

Wohlformuliert und für ein Sachbuch sehr verständlich geschrieben, zerlegt der Autor die Geschichte der Hohenzollern in ihre (nachweis- und nachvollziehbaren) Einzelteile und zerlegt damit größtenteils ihr Narrativ. Das Hühnchen, das er selbst wegen der Strafanzeige mit den Adligen zu rupfen hat, und das seine Ausführungen vorurteilsbelastet machen könnten, erwähnt er erst gegen Schluss, wo er auf seinen eigenen juristischen Streit mit der Familie eingeht. Sonst bleibt er ausschließlich auf dem Boden der Fakten. Für mich war das Buch eine lohnende und aufschlussreiche Lektüre, die ich für Geschichtsinteressierte gerne weiterempfehle. Von mir fünf Sterne.


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