Dienstag, 7. Juni 2022

Schliemann und das Gold von Troja - Frank Vorpahl

 Ja, ich gebe es zu: ich habe trotz der Bemühungen meines Vaters von Homer noch nie mehr als ein paar Seiten gelesen und Schwabs „Die Sagen des klassischen Altertums“ gingen mehr oder weniger vollständig an mir vorbei. Durch Frank Vorpahls „Schliemann und das Gold von Troja“ habe ich gehofft, ein bisschen mehr Zugang zu den „ollen Griechen“ zu bekommen. Fan werde ich auf meine alten Tage wohl keiner mehr, aber gelernt habe ich einiges über Schliemann, sein Leben, seine Persönlichkeit und seine Projekte. Das Buch war unterhaltsam, informativ und manchmal sogar spannend – die Lesezeit war auf jeden Fall nicht vergeudet. 

Aber von vorn.

Heinrich Schliemann hat es geschafft. Durch Fleiß, Ehrgeiz, (Sprach-)Begabung und ein Quäntchen Glück wurde er vom Kaufmannsgehilfen erst zum erfolgreichen internationalen Geschäftsmann, dann zum autodidaktischen Archäologen, der es sogar schafft, ohne Abitur in Archäologie zu promoviert zu werden. Er war ein wissensdurstiger und lernhungriger Weltenbummler mit einem sehr großen Ego – und mir dadurch reichlich unsympathisch. Frank Vorpahl beschreibt, wie Schliemann im Selbststudium mehrere Fremdsprachen lernte, wenn auch sein Altgriechisch wohl eher zu wünschen übrigließ. Er schrieb auf seinen Reisen sein Tagebuch immer in der jeweiligen Landessprache, ein polyglottes Wunderkind eben. Trotz des Ehrgeizes und der großen Geldsummen, die Schliemann in seine archäologischen Forschungen steckte, kam er aber, und das wird in Vorpahls Buch sehr deutlich, über den Status des enthusiastischen Dilettanten nicht hinaus. Und der Rest ist Geschichte: Schliemann fand 1873 in „seinem“ Troja etwas, das er den „Schatz des Priamos“ nennt, inklusive der „Maske des Agamemnon“. Die Funde sind älter als Homers Troja, daher sind sie bis heute umstritten, ebenso ist die Frage, wem die Schätze denn nun gehören (Deutschland, dem Schliemann sie geschenkt hat, Russland, da sie im zweiten Weltkrieg erbeutet hat, oder der Türkei, woher sie ursprünglich stammen?) immer noch ungeklärt. 

Alles in allem war die Suche nach dem Schatz von Troja auf jeden Fall spannend und wird meiner Meinung nach von Frank Vorpahl, trotz der Masse an durch Fußnoten belegten Informationen, ab etwa der Hälfte des Buchs sehr mitreißend erzählt. Es ist auch eine gekonnte Beschreibung von Schliemanns Leben und seiner Persönlichkeit. Diese war durch sein stetiges Streben nach Anerkennung geprägt, seiner Besessenheit ordnete er sowohl Familie als auch Gesundheit unter. Er war ein Getriebener, ein Enthusiast und ein wissenschaftlicher Dilettant, der sich bei seinen Forschungen an literarischen Quellen wie der Ilias und der Odyssee von Homer orientierte. Durch die Schlusskapitel schafft Vorpahl den Brückenschlag zum Heute, der politischen Debatte um Beutekunst und Kompensationsforderungen und damit nach dem Ausflug ins Abenteuerliche auch wieder die Rückkehr auf den Boden der Wissenschaft. Denn auch heute wird noch an den Funden von Troja geforscht, vor allem zur Herkunft der Rohstoffe, aus denen die Preziosen gefertigt wurden. 

Eine informative Lektüre mit reichlich quellenbasierten Fakten über einen Mann und sein Lebenswerk, wobei letzteres bis heute in der Fachwelt umstritten ist. Zahlreiche Bilder bereichern den Text. Sprachlich fand ich ihn ausgewogen, teils wissenschaftlich, teils aber auch flott und eher wie einen Abenteuerroman. Für mich als Laien auf jeden Fall ein großartiges Buch, für das ich gerne fünf Sterne vergebe. 


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