Dienstag, 5. Juli 2022

Perfect Day - Romy Hausmann

 „Perfect Day“ war mein erstes Buch von Romy Hausmann und es lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits fand ich den Zugang zur Handlung vor allem am Anfang schwierig, andererseits konnte ich das Buch aber auch nicht aus der Hand legen, da die Neugier auf den Schluss überwog. Insgesamt wird der Thriller mir nicht im Gedächtnis bleiben. Oder vielleicht werde ich mich doch an ihn erinnern, unter der Überschrift: schwierige Charaktere tun schwer nachvollziehbare Dinge. 

Aber von vorn.

Ausgerechnet mit Lou Reeds „Perfect day“ als Hintergrundmusik wird der 55jährige Philosophieprofessor und Anthropologe Doktor Walter Lesniak sechs Wochen vor Heiligabend vor den Augen seiner Tochter Ann verhaftet. Er soll im Verlauf von fast 15 Jahren zehn Mädchen im Alter zwischen sechs und zehn Jahren entführt und getötet haben. Rote Schleifen wiesen der Polizei wie bei einer makabren Schnitzeljagt den Weg zu den Leichen. Zuerst wurde er daher „Schleifenmörder“ genannt, später bezeichnet ihn die Boulevardpresse als „Professor Tod“. Ann kann nicht glauben, dass ihr Vater ein Serienmörder sein soll. „Deswegen ist es jedes Mal wieder ein Schock. Da hilft auch kein verpixeltes Fotogesicht. Sie schreiben über dich, sie sind sich ihrer Sache so sicher. Ein Zufall, ich weiß, Papa. Du bist kein Mörder. Sie irren sich so schrecklich, aber das wollen sie einfach nicht einsehen. Lieber verbreiten sie weiter ihre Lügen, ihre Lügen, ihre gottverdammten Lügen.“ Während ihr Vater in Untersuchungshaft sitzt, macht sie sich auf die Suche nach dem wahren Mörder, denn die Schuld des einen wird die Unschuld des anderen beweisen. Und Ann, ihre Freundin Eva und ihr Freund Jakob begeben sich bei ihren Nachforschungen in größte Gefahr. 

So weit, so gut. Und vor allem so spannend und fast genial durchdacht. Die Art und Weise, wie Romy Hausmann ihre Geschichte aufbaut, ist sowohl clever als auch kompliziert. Sie erzählt sie hauptsächlich aus der Sicht von Ann. Dabei ist unter der Überschrift „Ann“ die eigentliche Handlung, datiert, beginnend im Dezember 2017. Es gibt Einflechtungen, die an Tagebucheinträge mit Gedankenfragmenten aus Anns Kindheit erinnern (gekennzeichnet durch kursive Schrift und Vermerke wie „Ann, 7 Jahre alt“), Kapitel mit der Überschrift „Wir“ sind Anns Erinnerungen an Erlebnisse und Begebenheiten mit ihrem Vater, die beiden haben ja nach dem Tod der Mutter nur noch einander. Und es gibt die transkribierten Gespräche mit dem inhaftierten Täter aus dem Jahr 2021. So, wie die Perspektiven wechseln, wechseln natürlich auch die Zeitebenen, mal ist die Geschichte im Präsens, mal in der Vergangenheit erzählt. 

Romy Hausmanns Sprache ist angenehm, aber gewöhnungsbedürftig. Zwar schreibt sie sehr anschaulich und in gefälliger Sprache, dennoch fand ich die Lektüre durch die vielen Perspektivwechsel einfach nur anstrengend und oft hatte ich Probleme, die vielen Nebencharaktere auseinanderzuhalten. Die Hauptcharaktere fand ich hingegen eher blass und vor allem mit der Protagonistin Ann konnte ich bis zum Schluss nicht warm werden. Viele ihrer Aktionen kann ich zwar nachvollziehen, andere hingegen sind so naiv und unbedacht, dass ich nachschauen musste, wie alt sie eigentlich ist, da ihre Handlungen oft eher zu einer Zehnjährigen als zu einer Mittzwanzigerin passen. Insgesamt finde ich aber, dass die Autorin psychologische Eigenheiten ihrer Charaktere sehr gekonnt auf- und ausarbeitet.

Den Spannungsbogen fand ich im ersten Drittel sehr hoch, er flaut aber im Verlauf der Geschichte stark ab. Viele Passagen hätten ersatzlos gestrichen werden können, da sie zum Buch nicht wirklich beitragen. Alles in allem schöpft die Autorin das Potential ihrer an sich guten Idee bei weitem nicht aus. „Logik entwirrt den Knoten“ schreibt die Autorin an einer Stelle, doch leider basiert ein Großteil ihrer Logik auf (weit hergeholten) Zufällen. Ich bin zwar nicht wirklich enttäuscht, aber auch nicht begeistert. Daher vergebe ich wegen der guten Idee und der angenehmen Sprache drei Sterne. 


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