Montag, 27. Juni 2022

Der Mann in den Dünen - Anna Johannsen

Menschen verschwinden. Ältere Menschen verschwinden. Schwerreiche Menschen verschwinden. Reinhardt Dormann ist 79 Jahre alt, Reeder aus Hamburg und verschwindet am hellichten Tag am Strand von Sylt. Damit beginnt Anna Johannsens neues Buch „Der Mann in den Dünen“. Es ist der erste Fall für Kriminalhauptkommissarin Lena Lorenzen nach ihrer Elternzeit (insgesamt aber schon der neunte Teil der „Inselkommissarin“-Reihe) und sie und ihr Kollege Johann Grasmann stoßen auf ungeahnte Schwierigkeiten. Denn die Kinder des Verschwundenen sind nicht wirklich hilfreich bei den Ermittlungen und nach und nach tauchen Dinge auf, die das Leben des Reeders wenig harmonisch erscheinen lassen, aber reichlich Potential für einen spannenden bieten, vor allem, als nach kurzer Zeit Blutspuren am Strand gefunden werden. 

Aber von vorn.

Reinhardt Doormann, Reeder im Ruhestand, geht jeden Tag mit seinem Hund Hermann am Strand spazieren. Als der 79-Jährige nach einigen Stunden nicht zurückgekehrt ist, informieren Angehörige die Polizei und Lena Lorenzen und ihr Kollege Johann Grasmann beginnen mit ihren Ermittlungen. Parallel dazu sucht ein Team aus Freiwilligen nach dem rüstigen Rentner. Als sein Hund erschossen und vergraben aufgefunden wird und in der Nähe auch seine Brieftasche auftaucht, wird immer klarer, dass Doormann sich nicht einfach nur verlaufen hat. Ermittlungen im Familienkreis gestalten sich schwierig, die drei Kinder (zwei eheliche und ein uneheliches) sind nicht wirklich kooperativ nur sehr eingeschränkt bereit, der Polizei zu helfen. Nur zögerlich gibt Marc Doormann, der älteste Sohn des Reeders und CEO der Reederei, zu, dass die Firma seit längerem von militanten Umweltschutzorganisationen bedroht wird. Er hat die Drohungen nie ernst genommen – steckt eine der Organisationen hinter dem Verschwinden des Seniorchefs? Und dann verschwindet auch noch Walter Rubert, der eine Mischung aus Hausmeister und Leibwächter von Reinhardt Doormann ist. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit und ein Kampf gegen die Mauern aus Schweigen, die die Kinder des Verschwundenen bauen.

Ich kannte die Autorin von den Büchern ihrer „Enna-Andersen-Reihe“ und mag ihren geradlinigen Stil sehr gerne und schätze die Bodenständigkeit ihrer Geschichten. Ihre Sprache ist alltagsnah und kommt fast gänzlich ohne Kraft- und Fäkalausdrücke aus, was ich als äußerst angenehm empfinde. Die Autorin schafft es, die Spannung im Verlauf des Buchs stetig zu steigern, in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen flicht sie Episoden aus dem Privatleben ihrer Protagonistin ein. Diese ist nach der Elternzeit wieder zurück im Beruf und sie ist hin- und hergerissen zwischen der Freude über ihren Einsatz („Ich habe ihr gesagt, dass ich rausmuss aus dem Büro.“) und der Tatsache, dass sie ihren kleinen Sohn Bent und ihren Mann Erck sehr vermisst. Diese Passagen bieten der Leserschaft eine wohltuende Verschnaufpause in der sonst hohen Spannungskurve. 

„Der Mann in den Dünen“ ist ein solider Krimi mit aktuellem Bezug (unter anderem geht es um CO2-Emissionen im Allgemeinen und von Frachtschiffen im Besonderen und die Radikalisierung von Umweltschützern). Er ist angenehm zu lesen, die Spannungskurve ist hoch, es gibt einige Verdächtige, sodass ich Spaß am Miträtseln hatte – alles in allem bietet das Buch also alles, was die Herzen von Krimifans erfreut. Es ist mir ein Rätsel, wie mir die Serie bislang entgehen konnte. Von mir daher natürlich fünf Sterne und eine klare Lese-Empfehlung.


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