Montag, 19. September 2022

Die Toten von Cork - Gerlinde Michel

 Der Klappentext von Gerlinde Michels Krimi „Die Toten von Cork“ war sehr vielversprechend. Auch der etwas verstörende Prolog machte Lust aufs Weiterlesen und gab eine vage Vorstellung davon, was von dem Buch zu erwarten war. Leider schaffte es die Autorin bei mir nicht, den Erwartungen gerecht zu werden. Sie reißt mit ihrem Irland-Krimi zwei sehr große Themenkomplexe an, arbeitet aber meiner Meinung nach beide nicht wirklich gut aus. Über ein „kann man lesen“ kommt das Buch daher für mich nicht hinaus.

Aber von vorn.

Kriminalkommissar Markus Felchlin (überwiegend nur „Felchlin“ genannt) macht mit seinen beiden Kindern und seiner alleinerziehenden Kollegin Urlaub in einem Ferienhaus nahe irischen Südküste. Aber die Gäste scheinen in der Gegend unerwünscht, eine ans Tor geschmierte Drohung und ein blutiger Schafkopf drohen den eigentlich idyllischen Urlaub in der malerischen Landschaft zu vermiesen. Als dann auch noch ein ziemlich verwahrlostes kleines Mädchen auf dem Grundstück auftaucht, das fast kein Wort spricht, aber einen riesigen Hunger hat, bricht der Polizist in Felchlin durch und er beginnt, auf eigene Faust einige Nachforschungen anzustellen. Unterstützt von der örtlichen Polizei deckt er nach und nach einige sehr hässliche Dinge auf.  

Die Themen, die das Buch anschneidet, bieten unendlich viel Potential. Die Stellung der katholischen Kirche in der nach wie vor erzkatholischen Republik Irland und die zunehmende Fremdenfeindlichkeit überall hätten sehr viel Stoff für einen sowohl spannenden wie auch tiefgründigen und informativen Krimi geboten. Nur leider hatte ich bei der Lektüre das Gefühl, die Autorin wollte zu viel. Da sie in ihren Text auch sehr viel englische Sätze eingebaut hat, möchte ich es auch auf Englisch ausdrücken: She bit off more than she could chew. Obwohl das Buch im Präsens geschrieben ist, man als Leser also eigentlich mitten in der Geschichte steht, kam für mich kaum Spannung auf. Die Geschichte an sich war für mich als großen Irland-Freund sehr vorhersehbar und der Schluss kam sehr abrupt. 

Sprachlich fand ich das Buch nett zu lesen, die Landschaftsbeschreibungen mit See, Küste und einem Fluss, der im Lauf des Tages die Fließrichtung ändert, sind ansprechend. Die Charaktere, vor allem die Kinder der beiden Protagonisten, sind relativ gut beschrieben. Manchmal tat ich mich mit dem schweizerdeutsch gefärbten Vokabular etwas schwer, ich persönlich hätte vermutlich oft andere Worte gewählt als die Autorin. Die Tatsache, dass Markus Felchlin fast durchgehend nur mit dem Nachnamen genannt wird, war ein nettes Stilmittel, mehr aber auch nicht. 

Für mich war das Buch weder Fisch noch Fleisch. Es war kein wirklicher Krimi, dafür fehlte mir die Spannung. Es war kein Familienroman vor idyllischer Kulisse, dafür waren die Landschaftsbeschreibungen zu dürftig. Lokalkolorit irischer Kleinstädte/Ortschaften kommt überhaupt nicht zum Tragen, da sich die Geschichte zwischen den Urlaubern, den Vermietern, ein paar Polizisten und den Verdächtigen abspielt und wenn überhaupt, sind Begegnungen mit Einheimischen fast ausschließlich negativ. Auch die Familiengeschichte wird eher beiläufig erzählt, sodass es auch kein richtiger Liebesroman ist. Schade eigentlich, denn die Themen an sich hätten, wie gesagt, sehr viel Potential geboten. 

Für mich kommt das Buch daher über ein „ganz nett zu lesen“ nicht hinaus. Durch die zweite Zeit-Ebene, die die Autorin hie und da einbaut, hat sie versucht, die Geschichte lebendiger zu machen und Hintergrundwissen zu vermitteln, was ihr aber nur leidlich gelingt. Für mich bleibt das Buch zu oberflächlich und daher unbefriedigend. Da es aber unterhaltsam war, vergebe ich 3 Sterne.


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