Montag, 12. September 2022

Faust - Gustaf Skördeman

 Da andere Rezensenten geschrieben hatten, dass man Gustaf Skördemans Thriller „Faust“ nur mit Vorkenntnissen wirklich verstehen kann, habe ich mir „Geiger“, den ersten Teil der Trilogie ebenfalls besorgt. Und tatsächlich stimmt es. Obwohl der Autor sein Bestes tut, um „Faust“ auch einzeln verständlich zu machen, braucht man meiner Meinung nach das Wissen aus „Geiger“, um das Buch wirklich verstehen zu können. Fast alles, was in „Faust“ passiert, hat seinen Ursprung in „Geiger“, und damit meine ich nicht nur die Jagd nach den Terroristen, den ehemaligen Stasi-Spionen und den Schläfern. Alles, auch Saras aktuelle Ermittlungen, hängt mit allem zusammen und das „wie“ kann man nur erkennen, wenn man die Fakten aus beiden Büchern kennt. Dann ist es aber ein rasant spannender und brutaler Thriller, der nichts auslässt.

Aber von vorn.

Nachdem die schwedische Polizistin Sara Nowak im ersten Teil „Geiger“ das Stasi-Netzwerk in Schweden aufgedeckt hat und damit einen riesigen Bombenanschlag verhindern konnte, der große Teile Deutschlands in Schutt und Asche gelegt hätte, lässt sie sich von der Sitte in eine andere Abteilung versetzen. Sie wurde bei den Ermittlungen selbst schwer verletzt und möchte mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Ihre Tochter Ebba zieht aus und beginnt ihr eigenes Leben, ihr Sohn Olle begeistert sich für Hip-Hop und möchte sich tätowieren lassen – also eigentlich hat Sara genug um die Ohren. Aber Sara wäre nicht Sara, wenn sie den Plan des „sich mehr um die Familie kümmern“ nicht umgehend über den Haufen werfen würde, als ein weiterer ehemaliger Spion tot in seinem Haus aufgefunden wird. Sie glaubt keine Sekunde, dass der Pfarrer seine Frau getötet und dann Selbstmord begangen hat und beginnt, heimlich zu ermitteln. Sehr zum Missfallen aller. Denn ihr Chef möchte, dass sie im Fall dreier Toter ermittelt, der zu einem Bandenkrieg führen könnte (Pikant: zwei Verbrecher wollten eine Leiche verschwinden lassen und wurden von Jägern dabei überrascht und erschossen.), die verschiedenen Geheimdienste möchten ebenfalls nicht, dass sie ihnen ins Handwerk pfuscht. Dazu kommt natürlich, dass sie bei weitem nicht alle ehemaligen Stasi-Spione enttarnt hat. Mit ihren Ermittlungen tritt sie besonders einem Spion namens „Faust“ gewaltig auf die Füße und bringt sich und alle in ihrem näheren Umfeld in große Gefahr.

Politik ist zugegebenermaßen nicht mein Steckenpferd. Dennoch hat mich „Faust“ mit all seinen Facetten begeistert, auch wenn das Buch aufgrund des rasanten Tempos und der vielen Beteiligten manchmal etwas verwirrend ist. RAF-Terrorismus, Stasi, Geheimdienste und Schläferzellen – aus all diesen Themen strickt der Autor zusammen mit Pädophilie, Menschenhandel, Prostitution und einer großen Menge Gewalt einen enorm spannenden Thriller, der auch Politikmuffel wie mich begeistern konnte. Das Buch ist aus verschiedenen Perspektiven erzählt und sprachlich flott geschrieben. Übersetzt ist es mit ein paar Ausnahmen sehr ansprechend (beispielsweise „da klemmt der Schuh“ statt „da drückt der Schuh“). Der Spannungsbogen ist überwiegend sehr hoch, ab und zu flacht er bei Ausflügen in Saras Privatleben etwas ab, und der Autor gönnt dem Publikum eine dringend benötigte Verschnaufpause. 

Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, wer den ersten Teil der Trilogie kennt, bemerkt auch die ihre Entwicklung. Sara ist eine etwa anstrengende und eigensinnige Persönlichkeit, die mir aber in ihrer Verbissenheit imponiert hat. Zunehmend unsympathisch wurde mir ihr Mann Martin, der nur noch für seine Firma zu leben scheint (er ist in der Veranstaltungsbranche) und seine schwerreichen Eltern. Heimlicher Star des Buchs ist für mich aber Saras Mutter Jane, die ihre bei einer Vergewaltigung gezeugte Tochter bedingungslos liebt. 

„Faust“ war für mich ein gelungener Thriller, hochspannend mit einem völlig überraschenden Ende. Von mir daher fünf Sterne und ich freue mich jetzt schon darauf, welche Überraschungen die Fortsetzung „Wagner“ bereithalten wird.


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