Freitag, 7. Oktober 2022

Klangwunder. Wie die Kraft der Musik mich geheilt hat - Albrecht Meyer und Heidi Friedrich

 Ich hätte das Buch so gerne gemocht. Mehr kann ich über „Klangwunder: Wie die Kraft der Musik mich geheilt hat“ von Albrecht Meyer und Heidi Friedrich eigentlich gar nicht sagen. Die Lebensgeschichte des Oboisten ist sehr interessant, seine Wandlung vom stotternden Kind/Jugendlichen unter der Knute eines dominanten, strengen und oft aggressiven Vaters hin zu einem selbstbewussten Erwachsenen ist beispielhaft. „Für irgendetwas habe ich mich immer geschämt: Knochige Knie, schlaksiger Oberkörper, die Haare zu strohig, der Kopf zu rund. […] Und dann noch dieses verhängnisvolle Stottern.“ – er hat einige Zeit gebraucht, bis er sich selbst hinter der Scham gefunden und seinen eigenen Wert erkannt hat. So weit so gut.

Eigentlich hätte aus dem Stoff ein ganz hervorragendes Buch werden können, wenn es denn sprachlich ansprechender gewesen wäre. Leider aber fand ich die Sprache zu nüchtern, fast hölzern und manche der Ausdrücke, die das Autoren-Duo verwendet, sind nicht korrekt. So hat Albrecht Meyers Vater, ein Kinderarzt, die „Taubstummensprache“ gelernt, um mit einigen seiner Patienten kommunizieren zu können. Leider gibt es eine solche Sprache überhaupt nicht, höchstens die Gebärdensprache. Auch der Begriff „taubstumm“ wird heute als solcher nicht mehr wirklich verwendet, schade, dass er in dem Buch trotzdem aufgegriffen wird. 

Leben und Werdegang des Musikers sind hochinteressant. Leider reihen sich eher belanglose, fast tabellarisch „abgearbeitete“ Passagen an durchaus lustige Schwänke aus dem Leben des Oboisten. Das Buch ist an sich chronologisch aufgebaut, mit einigen „Nachdenkereien“ am Ende der jeweiligen Kapitel, in denen Albrecht Mayer das Geschriebene ein bisschen rekapituliert und in einen gewissen Kontext setzt. Interessant fand ich die Idee des Vaters, dass das Oboespielen die Atmung des stotternden Kindes so beeinflussen könnte, dass sich sein Stottern bessern würde. Noch interessanter fand ich aber, dass das Stottern nicht durch das Blasinstrument, sondern mit den ersten Erfolgen und dem gewachsenen Selbstbewusstsein aufhörte. Lesenswert, wenn auch ein bisschen langatmig beschrieben, finde ich seine Zeit bei der Bundeswehr, die der äußerst unangepasste und fast aufmüpfige Mayer mehr schlecht als recht (und mit viel Arrest und Waffenputzen) hinter sich gebracht hat. Dass er sein Vorspiel bei den Berliner Philharmonikern ungewollt bekifft absolvierte, brachte mich hingegen herzlich zum Lachen. Das runde Ende findet das Buch mit dem Jahr 2020 und dem Lockdown, dem Homeschooling seiner fünfjährigen Tochter Laura und einem kleinen Einblick in sein Privatleben, der ihn als Familienmenschen abseits von Orchester und Karriere zeigt. 

Insgesamt ist es das Buch eines ehrlichen und äußerst selbstkritischen Menschen, der immer wieder versuchte, auf dem Boden zu bleiben, gleichzeitig aber ein Adrenalin-Junkie ist und ein gewisses Maß an Bewunderung und Applaus braucht.  „Oboen-Gott“ oder „Bester Oboist der Welt“ – Bezeichnungen wie diese lehnt er ab. Perfektion sucht er aber auch im Instrument, so hat er sich sich zusammen mit dem Instrumentenbauer Ludwig Frank der Entwicklung der „perfekten Oboe“ verschrieben. „Albis Oboe“ spielte er zum ersten Mal 2008 in der New Yorker Carnegie Hall. Wie gesagt, wäre das Buch für mich sprachlich ansprechender gewesen, hätte es die volle Punktzahl von mir bekommen. Die Nüchternheit der Erzählung hielt mich aber jederzeit auf Distanz zu Albrecht Mayer und ich konnte nicht, wie bei unzähligen anderen (Auto)Biografien eine Nähe oder Vertrautheit aufbauen. Alles in allem finde ich, dass das Buch seiner hochinteressanten Persönlichkeit zu wenig gerecht wird. Schade. Daher vergebe ich drei Punkte.


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