Freitag, 16. Dezember 2022

EAST. Welt ohne Seele - Jens Henrik Jensen

 „Oxen“ und „Søg“ sind die Serien, durch die ich den dänischen Autor Jens Henrik Jensen kennengelernt habe und die beiden Reihen haben mir wirklich sehr gefallen. Bereits 1997 hat er sich mit „East. Welt ohne Seele“ am ersten Teil einer Agententhriller-Trilogie versucht, der erst jetzt auf Deutsch erschienen ist. Herausgekommen ist ein Buch, das zwischen Geschichtsbuch, Liebesgeschichte und Spannungsroman mäandert und für mich nur selten den Sprung zum Thriller schafft. Das macht es insgesamt nicht zu einem schlechten Buch, es hat aber eine Menge Luft nach oben (und der Autor hat sich bekanntermaßen ja auch deutlich gesteigert). Daher kann man „East“ getrost als ambitionierten Versuch unter „er übte noch“ verbuchen. Es ist kein kompletter Fehlschlag, aber auch kein Meisterwerk. 

Aber von vorn.

Wir schreiben das Jahr 1999 und der ehemalige amerikanische Agent Jan Jordi Kazanski hat alles verloren: seine Frau, seine Tochter und seinen Job bei der CIA. In ein tiefes Loch gefallen, flüchtet er sich mehr und mehr in den Alkohol. Allerdings braucht die CIA seine Expertise wegen seiner polnischen Wurzeln und holt ihn kurzerhand zurück in den Dienst, damit er in Krakau „die Witwe“, eine mysteriöse Informantin und Unterwelt-Chefin findet. Kaum, dass er seinen Fuß auf polnischen Boden gesetzt hat, schwebt er in höchster Gefahr. Mehrere Mordanschläge werden auf ihn verübt, Leichen pflastern seine Wege. Und nicht nur das: schon bei seiner Ankunft im Hotel trifft er auf die Dänin Xenia Pizlo Larsen. Eine ebenso hübsche wie geheimnisvolle Frau. Was verbirgt sie? Und wer will Kazanskis Tod?

Das Buch hätte wirklich sehr viel Potential gehabt. Auch wenn es heute schon „historisch“ und leicht angestaubt wirkt, so sind Thriller mit dem Thema „Ost-West-Konflikt“ auch heute noch (nicht zuletzt wegen des Krieges in der Ukraine) immer noch spannend. Oder könnten es zumindest sein, vorausgesetzt, sie sind gut und packend geschrieben. Und leider hapert es genau daran bei diesem Buch. Der Autor hatte bei dem Werk noch nicht die Reife, die er inzwischen hat. Er schafft es für mich nicht, einen durchgehenden Spannungsbogen zu schaffen. Auch seine Dialoge sind teilweise sehr hölzern und die Charaktere sind, abgesehen vom Protagonisten, nicht wirklich gut ausgearbeitet. Den Protagonisten fand ich allerdings nicht sehr sympathisch und ich wurde mit ihm nicht warm. Seine fast übermenschliche Genialität, die seine ständige Trinkerei (über weite Teile des Buchs ist er durchgehend be- oder zumindest angetrunken) und seinen platten Umgang mit Frauen (er bedient fast jedes Macho-Klischee) fand ich nervtötend. Dazu packt der Autor zwischen reichlich uninspirierte Verfolgungsjagden durch Krakau eine Menge Informationen zum Zeitgeschehen in innere Monologe, was sowohl die Spannung als auch meinen Lesefluss störte. 

Sprachlich ist das Buch leicht zu lesen, manchmal etwas derb in der Wortwahl. Die Übersetzung ist sehr gut gelungen, sodass das Buch wirklich gut hätte werden können, wenn der Autor es besser konzipiert hätte. Da hat er inzwischen viel dazugelernt und sich weiterentwickelt. Ich kann es daher nur wirklichen Hardcore-Fans ans Herz legen und verbuche es „East. Welt ohne Seele“ als „Werk ohne Konzept und Erinnerungswert“. Endgültig den Spaß an der Serie hat mir allerdings der Epilog verdorben, der sich an den für mich sehr vorhersehbaren Schluss anschließt. Darin werden wirklich alle losen Enden abgefrühstückt und man bekommt das Gefühl, keinen weiteren Teil der Reihe zu brauchen. Von mir gibt es für die wenigen spannenden Passagen und die vielen historischen Informationen zweieinhalb Sterne, aufgerundet auf drei. 


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