„Ernsthaft, meine Familie … So was kann sich keiner
ausdenken.“ – dieser Satz beschreibt das Buch „CHER. Die Autobiografie, Teil
eins“ ganz hervorragend. Auf rund 500 Seiten beschreibt die Ausnahmekünstlerin
das, was ich die „Cher-Werdung“ nenne (in Anlehnung an das englische: to become
Cher). Alles an ihr und in ihrem Buch schreit „Superlativ“, in ihrem Leben gab
es so viele Extreme, dass man sie kaum zählen kann. Das Buch umfasst die Zeit
bis zum Anfang der 1980er und zeigt ein unbeschreibliches Auf und Ab. Die
vielen Wegbegleiter und unzähligen Menschen, die sie in den ersten Jahrzehnten
ihres Lebens traf, hat sie minutiös aufgelistet, dazu Begebenheiten des
Zusammentreffens und Anekdoten – das mag manchmal ein bisschen „too much“ sein,
aber ich habe das Buch und auch die Einblicke hinter die Kulissen des
Show-Business sehr gern gelesen.
Aber von vorn.
Cheryl Sarkisian wurde am 20. Mai 1946 geboren. Zu sagen,
dass sie in eine dysfunktionale Familie hineingeboren wurde, wäre untertrieben.
„Die Frauen in meiner Familie sind nicht gut darin, sich ihre Männer
auszusuchen“, schreibt Cher in ihrer Autobiografie. Ihre Großmutter Lynda wurde
schon mit dreizehn Jahren Mutter, entsprechend überfordert war sie, dazu war
ihr Mann Roy ein gewalttätiger Trinker. Chers Mutter Jackie Jean zeichnete sich
früh durch eine kraftvolle Singstimme aus und sang schon als Fünfjährige in Kneipen
und wurde mit knapp 19 Jahren schwanger von ihrem armenischen Ehemann Johnnie
Sarkisian, mit dem sie eine on-off-Beziehung führte. Insgesamt war Jackie Jean,
(die später als Georgia Holt bekannt wurde), sieben Mal verheiratet, einen
ihrer Männer heiratete sie sogar zweimal. Ihre Männer waren so austauschbar,
dass sich Cher selbst nicht ein „einen Mann im Haus erinnern konnte“. Cher war
als Baby einige Zeit in einem von Nonnen geführten Kinderheim untergebracht,
damit Jackie Jean ihren Lebensunterhalt verdienen konnte. „Die Angst vor dem
Verlassenwerden hängt zweifelsohne damit zusammen, dass ich als Baby von meiner
Mutter getrennt war, und meine innere Dramaqueen gehört heute fest zu meiner
komplizierten Persönlichkeit.“ Aber Cher zeigte sowohl Resilienz als auch eine
Menge Zielstrebigkeit in ihrem Leben. Nach Problemen in der Schule mit
undiagnostizierter Legasthenie, lernte sie mit 16 Jahren Sonny Bono kennen und
gemeinsam wurden sie Sonny & Cher. Der Grundstein für ihre „Cher-Werdung“
war gelegt. Von der Backgroundsängerin wurde sie zur Musik-(und Mode-)Ikone. Der
Weg war steinig und kurvenreich, finanzielle Probleme, Steuerschulden, ihre
Beziehung war mal mehr, mal weniger harmonisch, auch ihr gemeinsames Kind
Chastity (heute Chaz), änderte daran wenig. Der Rest ist Geschichte. Scheidung,
Sonny & Cher zerbrachen, jeder verklagte irgendwann jeden, Cher datete mal
hier, mal da, heiratete Gregg Allman, bekam mit ihm Sohn Elijah, Scheidung,
Beziehung mit Gene Simmons – Fortgesetzt wird die Geschichte dann im zweiten
Teil der Autobiografie.
Inhaltlich hat das Buch mich überwältigt. Die an ein Buch
von Dickens erinnernde Kindheit und die vielen Aufs und Abs waren schwer zu
ertragen. Allerdings war die Naivität der jungen Cher manchmal genauso schwer
zu ertragen. Beeindruckt hat mich das hohe Maß an Selbstkritik und
Selbstreflektion, was die Ausnahmekünstlerin an den Tag legt, ich hatte nicht
erwartet, dass Cher so hart mit sich selbst ins Gericht geht und so
schonungslos ihre Naivität und ihre eigenen Fehler beschreibt, ohne irgendetwas
zu beschönigen (zumindest, soweit ich das beurteilen kann). Vor ihrem Fleiß
ziehe ich den Hut, ihr Talent ist unbestritten. Sprachlich fand ich das Buch
nicht übermäßig gut, aber flüssig zu lesen. Es ist sehr umgangssprachlich
gefärbt, manchmal wirkt es ein bisschen wie „ohne Punkt und Komma“ erzählt.
Aber dennoch hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich habe es mit großer
Begeisterung gelesen. Auf jeden Fall freue ich mich jetzt schon auf den zweiten
Teil.
Von mir gibt es für „CHER. Die Autobiografie, Teil eins“
fünf Sterne.
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