„Nach dem Leben“ ist der neue Krimi von Anna Johannsen aus der „Hanna Will & Jan de Bruyn“-Reihe. Ich verfolge die Serie seit dem ersten Teil und habe die Charaktere nach einigen Anfangsschwierigkeiten inzwischen ins Herz geschlossen. Dennoch bin ich mit dem vierten Buch etwas uneins. Zwar ist es ein solider Krimi aber die zwischenmenschliche Komponente nimmt für mich ein bisschen zu viel Raum ein.
Aber von vorn.
Der 75-jährige Helmut Gepken wird vom Postboten tot in
seinem Haus in Damme gefunden. Er ist seit 15 Jahren geschieden und lebte
allein auf dem platten Land. Zuerst sah es aus, als wäre er eines natürlichen
Todes gestorben, die Obduktion ergibt aber, dass er an einer Hypoglykämie
gestorben ist, ausgelöst durch eine Überdosis Insulin. Schon allein die
Tatsache, dass ihm das Insulin in beide Brustwarzenhöfe injiziert wurde, macht
klar, dass es sich um Mord handeln muss. Der Tote hinterlässt eine ex-Frau und
einen Sohn, mit dem er nur sehr wenig Kontakt hatte. Schnell kommt ans Licht,
dass er seit einiger Zeit größere Summen Geld von seinem Konto abgehoben hat.
Von den insgesamt über hundertsechzigtausend Euro fehlt jede Spur. Wurde der
Senior Opfer eines „Enkeltricks“ oder steckt etwas ganz anderes dahinter?
Helmut Gepken war nach seiner Scheidung zurück in das Haus gezogen, in dem er
aufgewachsen ist. Viele in dem Dorf kannten ihn von früher, so erfahren die
beiden LKA-Ermittler Hanna Will und Jan de Bruyn viel Interessantes. Liegt der
Grund für den Mord in der Vergangenheit des Toten?
Mit dem Ermittlerteam Hanna Will und Jan de Bruyn hat Anna
Johannsen ein sehr spezielles Paar erdacht. Momentan leben sie zusammen in
einem Wohnmobil, unterbrochen von Hotel-Übernachtungen. Die beiden nähern sich
seit dem ersten Teil der Reihe aneinander an, dann gehen sie wieder leicht auf
Abstand, aber nicht so weit, dass es eine on-off-Beziehung wäre. Einigen wir
uns einfach darauf: es ist kompliziert. Leidlich kompliziert ist auch der
aktuelle Fall.
Es geht um sehr reale Themen, unter anderem Einsamkeit im
Alter und Gauner, die gezielt älteren Menschen Geld abnehmen, dazu kommen
Erpressung, Gerüchteküche in Dörfern und die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen.
Alles in allem bietet der Krimi also einen vielfältigen Mix. Sprachlich ist er,
wie ich von der Autorin gewohnt bin, gut geschrieben und flott zu lesen. Die
Charaktere sind gut ausgearbeitet, bei den Protagonisten Hanna und Jan ist die
Entwicklung seit dem ersten Teil der Reihe erkennbar und auch die anderen
Beteiligten kann man sich gut vorstellen. Schön fand ich auch, dass im
Gegensatz zu vielen anderen Krimis die externen Ermittler von den örtlichen
Kollegen willkommen geheißen werden und ihre Arbeit wertgeschätzt wird, auf
Konkurrenzgehabe verzichtet Anna Johannsen dieses Mal komplett.
Was fehlt also an dem Buch, um es zu einer runden Sache zu
machen? An manchen Stellen wirkt das Buch auf mich ein bisschen inkonsistent.
Die Gedankenblitze von Jan kommen mir manchmal zu plötzlich und die Tatsache,
dass er mit seiner Intuition so oft richtig liegt, mag zwar sehr kompetent
aussehen, ist für mich aber oft nicht ganz plausibel. Manche Ansätze sind
ebenso wenig ausgegoren und dennoch führen sie meistens zum richtigen Ergebnis,
mir fehlten manchmal entscheidende Zwischenschritte und dadurch kam für mich
auch der Schluss ein bisschen zu plötzlich.
Clever gewählt finde ich den Titel, denn er kann auf mehrere
Arten gelesen werden: „Nach dem Leben“ im Sinne von „am Ende des Lebens“ oder
„jemand trachtete dem Opfer nach dem Leben“. Aber noch ein Wort zur
Todesursache: „Hypoglykämie oder einfach ausgedrückt Überzuckerung.“ – und das
aus dem Mund der Rechtsmedizinerin! „Einfach ausgedrückt“ und dann auch noch
falsch. Überzuckerung wäre Hyperglykämie.
Aber sei’s drum. Mich hat das Buch sehr gut unterhalten und
es ist flott nebenher zu lesen. Von mir gibt es vier Sterne und ich freue mich
auf den nächsten Teil.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.