Mit „Das erkaufte Glück“ startet Anna Johannsen in eine neue Krimi-Serie. Ich kenne die Autorin bereits von den Büchern über die Inselkommissarin Lena Lorenzen, das Ermittlerduo Hanna Will und Jan de Bruyn und natürlich von ihren Enna Andersen-Krimis, daher war ich gespannt, was für eine Ermittlerin sie uns in der neuen Reihe serviert. Ich muss sagen, ich bin mit Lea Nielsen nicht wirklich warm geworden.
Aber von vorn.
Lea Nielsen hatte beim LKA in Hannover eine vielversprechende Karriere vor sich, gab ihre Stelle aber zugunsten eines Jobs in der Provinz, genauer gesagt, in Wittmund, Ostfriesland, auf. Warum sie diesen Schritt gegangen ist, weiß niemand außer ihr selbst. Ihr Vater Karl ist an Demenz erkrankt und, obwohl dieser die Familie im Stich gelassen hatte, als sie noch sehr jung war, möchte sie sich um ihn kümmern. Als dann Maya van Berg vermisst wird, steht Lea vor ihrer ersten Bewährungsprobe im neuen Job. Der Vermisstenfall wird erst als „weggelaufene 19Jährige“ behandelt. Aber kurze Zeit später wird ihr Auto in einem Wald gefunden, ganz in der Nähe liegt der Autoschlüssel. Und damit nicht genug: wenige Tage später bekommen ihre Eltern ein Erpresserschreiben. Die Entführer fordern eine Million Euro in kleinen Scheinen. Dazu verlangen sie von Mayas Mutter, die als Life Coach erfolgreich ist, eine schriftliche Erklärung an alle Kunden „was für eine durchtriebene und geldgeile Person“ sie sei. Tatsächlich ist Sonja van Berg absolut unkooperativ und verweigert die Zusammenarbeit mit der Polizei. Noch dazu erfüllt sie die Forderung der Entführer nicht zufriedenstellend und diese erhöhen das Lösegeld auf zwei Millionen, die Forderung wird durch ein Video der Entführten unterstrichen. Den Ermittlern läuft die Zeit davon.
Mit „Das erkaufte Glück“ hat Anna Johannsen das Rad nicht neu erfunden, aber ist ein bodenständiger Krimi, der mich gut unterhalten hat. Es war nett, mitzuraten, zumal der Krimi einige unerwartete Wendungen nimmt. Lokalkolorit spielt, wie in allen Büchern von Anna Johannsen, eine große Rolle. Mit ihrer neuen Ermittlerin hat die Autorin einen Charakter mit Ecken und Kanten geschaffen, der zu Alleingängen neigt und immer wieder fällt der Satz „es ist kompliziert“. Und genau das ist es: kompliziert. Für mich war das Buch eine Achterbahnfahrt aus Spannung, zu vielen ähnlichen Charakteren und jeder Menge Privatleben der Protagonistin. Diese Privatleben macht einen erheblichen Teil des Buchs aus, wobei Lea eben dieses vor den Kollegen geheim hält. Das Verhältnis zu den Kollegen ist ebenfalls kompliziert, sie fügt sich schlecht in das Team in Wittmund ein. Die Kollegen machen es ihr auch nicht leicht, sie trifft auf Mansplaining, Misogynie und Ablehnung.
Die Protagonistin ist gut beschrieben, leider fand ich sie nicht besonders sympathisch. Vermutlich brauche ich noch ein oder zwei Bücher mit ihr, um mich an sie zu gewöhnen. Vor allem der Spagat zwischen beruflicher Herausforderung und der Belastung durch ihren demenzkranken Vater ist sehr gut dargestellt und gibt ihr eine menschliche Komponente. Ihre Überforderung ist einer der wenigen Punkte, der sie für mich nahbar machen. Sonst weiß ich noch nicht, was ich von der Polizeibeamtin, die die Polizeischule nach dem ersten juristischen Staatsexamen besucht hat, halten soll. Die meisten anderen Charaktere sind eher blass, abgesehen von Leas Freund Jan, ihrem Vater Karl und Sonja, der Mutter der vermissten Maya. Diese Personen werden sehr detailreich beschrieben. Sehr viele Details widmet Anna Johannsen auch Sonja van Berg, der verschwurbelt angehauchten Mutter, die als Life Coach reich geworden ist.
Obwohl das Buch ein solider Krimi, sprachlich gut geschrieben und leicht zu lesen ist, fehlte mir über weite Strecken die Spannung, selbst eine Verfolgungsjagd konnte mich nicht wirklich packen. Für mich schaffte „Das erkaufte Glück“ die Balance zwischen Roman und Krimi nicht ganz, da das Privatleben der Ermittlerin und das Kompetenzgerangel in der Dienststelle viel Platz einnehmen. Da verkommen die komplizierten und komplexen Ermittlungen manchmal fast zur Nebensache, was ich sehr schade finde.
Aber natürlich werde ich auch diese Serie weiterverfolgen. Von mir gibt es für den Auftakt drei Sterne.
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