Mittwoch, 10. Juni 2020

How not to diet - Dr. Michael Greger

Da ich bezüglich Ernährung und Diäten kein unbeschriebenes Blatt bin, habe ich mir von „How not to diet“ von Dr. Michael Greger neue Ansätze erhofft. Der Untertitel des Buchs „Gesund abnehmen und dauerhaft schlank bleiben dank neuester wissenschaftlich bewiesener Erkenntnisse“ machte mich noch neugieriger. Überzeugen konnte mich das Buch aber nicht.

Trotz vieler wissenschaftlicher Fakten aus unzähligen Studien, die der Autor mithilfe von über 100 Rechercheuren auffährt, um das „erste faktenbasierte Diätbuch“ zu schreiben, schafft er es meiner Meinung nach nicht wirklich, das Buch besser als die durchschnittlichen „Diätratgeber“ zu machen. In der Essenz sind seine Aussagen mir zu absolut und sicher nicht für jeden umsetzbar. Alles in allem ist das Buch eher eminenz- als evidenzbasiert. Er stülpt allen Menschen seine Theorien über, dabei gibt es in der Ernährung kein „one size fits all“. Manchmal kam es mir vor, als suche er gezielt zu seinen Theorien passende Studien (Stichwort: Bias). Irreführend finde ich auch den Titel (ich bin kein Freund englischsprachiger Titel bei deutschsprachigen Büchern). „Diet“ heißt zwar Diät, aber auch Ernährung im Allgemeinen, der Titel könnte also sowohl „wie man keine Diät macht“ oder „wie man sich nicht ernähren sollte“ heißen.

Die pflanzenbasierte Ernährung, mit der er Menschen schlank und gesund machen (oder erhalten) will, ist grundsätzlich eine gute Idee. Aber schon sein Tipp, zu jeder Mahlzeit vorab einen Apfel zu essen und zu jeder Mahlzeit 2 TL Essig hinzuzufügen, finde ich nicht immer umsetzbar. Auch der Rat, sich zweimal am Tag zu wiegen ist zu hinterfragen – Gewichtsschwankungen können verunsichern, häufiges Wiegen kann Zwänge hervorrufen und zu Ess-Störungen führen. Eine Studie aus dem Jahr 2015 bestätigt nur, dass tägliches Wiegen hilfreich sein kann.

Seine wissenschaftlichen Ausführungen sind lesens-, der Recherche-Aufwand lobenswert. Allerdings sind die 4990 (!) Fußnoten und Querverweise zu Studien nur auf der Website des Autors nachzulesen. Das Buch ist verständlich formuliert und sicher inhaltlich korrekt. Die Gefahren von zu viel Zucker und Fett zeigt der Autor ebenso auf wie die Wichtigkeit von Bewegung, ausreichend Flüssigkeit und Schlaf. Mit abgesetzten Abschnitten, dem „Gedankenfutter“, regt er den Leser zum Nach- und Weiterdenken an.

Aber sein ständiges Herumreiten auf den „Fettleibigen“ ist nicht nur störend sondern zum Teil schon unverschämt. Natürlich ist Fettleibigkeit das deutsche Wort für „Adipositas“ (starkes Übergewicht) – dennoch hätte er ab und zu einen anderen Begriff wählen können. Außerdem sind fettleibige Menschen seiner Meinung nach nur deshalb übergewichtig, da sie sich selbst und andere über ihre Mahlzeiten ständig belügen. Diese unverschämte Aussage und die dahintersteckende Haltung sollte er als Arzt überdenken!

Aber abgesehen von den wissenschaftlichen Fakten, auf die sich der Autor bezieht, beinhaltet das Buch kaum Neues. Seine Aussagen zu negativen Kalorien sind zum Beispiel eher befremdlich. Physikalisch gesehen ist eine Kalorie eine Kalorie – in der Verstoffwechslung ist das anders. Aber auch Lebensmittel mit „negativen Kalorien“ haben einen Brennwert und die Kalorien, die bei ihrer Verdauung darüber hinaus verbrannt werden (also zur negativen Bilanz führen) sind gering und der reißerische Begriff ist irreführend. Und alles in allem landet man auch bei diesem Buch am Ende beim guten alten Kalorienzählen mit ausgewogener (veganer), kalorienreduzierter Ernährung mit Sport, wenig Stress und ausreichend Schlaf. Mit seinen Ratschlägen hat der Autor das Rad ganz sicher nicht neu erfunden. Und das, obwohl er sein Buch als Ratgeber mit „Tipps und Tricks, wie jeder mühelos sein Idealgewicht halten kann – und macht endlich Schluss mit Kalorienzählen und Verzicht“ anpreist. Wer gerne etwas über wissenschaftliche Hintergründe erfahren möchte, ist mit dem Buch gut bedient. Wer gesund abnehmen möchte, sollte sich was anderes suchen. 2 Sterne

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