Zugegeben, das Granther-Experiment (oder das Kentler-Experiment, wie es tatsächlich hieß), sagte mich vor der Lektüre von „Der dreizehnte Mann“ von Florian Schwiecker und Michael Tskokos nichts. Daher hat mich das Buch und die Geschichte dahinter sehr interessiert. Und, wie leider schon öfter bei Büchern von Michael Tsokos, blieb ich zwiegespalten zurück. Und wieder einmal stellt sich für mich die Frage: Wie kann man ein Thema, das so viel Potential bietet, so unbefriedigend und unspannend abhandeln? Was für eine Enttäuschung.
Aber von vorn.
Bis in die 2000er Jahre wurden von Jugendämtern Kinder und Jugendliche als Pflegekinder an pädophile Pflegeväter vermittelt. Timo Krampe und Jörg Grünwald waren zwei von ihnen und möchten durch ein Zeitungsinterview an die Öffentlichkeit gehen und einen riesigen Skandal aufdecken. Doch kurz vor dem Interview verschwindet Jörg. Wenig später landet auf dem Obduktionstisch von Gerichtsmediziner Dr. Justus Jarmer eine unbekannte Wasserleiche. Wem ist daran gelegen, den Skandal weiterhin unter Verschluss zu halten? Zusammen mit dem Strafrechtsanwalt Rocco Eberhardt versucht Dr. Jarmer, den Dingen auf den Grund zu gehen.
„Der dreizehnte Mann“ ist nach „Die 7. Zeugin“ der zweite Teil um das Duo Jarmer/Eberhardt. Ich habe den ersten Teil nicht gelesen, hatte aber beim vorliegenden Buch keine Verständnisprobleme. Meine Probleme mit dem Buch liegen ganz wo anders. Die Geschichte, die dem Buch zugrunde liegt, ist ebenso spannend wie unfassbar. Ein Jugendamt vermittelt Pflegekinder an Männer, deren pädophile Neigungen bekannt sind – und hält es für eine gute Idee! Was für einen Krimi hätte man daraus machen können! Aber das Autorenduo setzte es für mich völlig unbefriedigend um, denn mir fehlte fast gänzlich die Spannung. Die Geschichte wird so gemächlich und oberflächlich erzählt, dass die Lektüre für mich kein Vergnügen war und ich oft mit dem Gedanken gespielt habe, sie einfach abzubrechen.
Der Schreibstil ist gut und an sich lässt sich das Buch leicht und flüssig lesen, die Sprache ist nüchtern und prägnant, dazu sind die Kapitel aus unterschiedlichen Perspektiven, ebenfalls eher kurzgehalten. So wirkte das Buch auf mich stellenweise fast ein wenig gehetzt und ein richtiger Lesefluss wollte sich nicht einstellen. Die Charaktere sind etwas zweidimensional und für mich zu stereotyp ausgearbeitet. Eigentlich bin ich ein großer Freund von True Crime und finde es immer gut, wenn Menschen „vom Fach“ (Michael Tsokos ist Rechtsmediziner, Florian Schwiecker hat als Strafverteidiger gearbeitet) Bücher schreiben. Ich bin auf den Gebiet Recht und Rechtsmedizin kein völliger Laie, aber selbst mich hat die fachliche Nüchternheit und die Faktenlastigkeit ein wenig erschlagen und mir die Spannung und das Lesevergnügen genommen.
Ein bisschen versöhnt hat mich der für mich überraschende Schluss. Gegen Ende hatte ich das Gefühl, das Autorenduo hat sich „warmgelaufen“, aber in dem Moment, als die Geschichte für mich eine rundere Sache wurde, war sie auch schon zu Ende. Mein Fazit ist also: zu wenig Spannung, zu oberflächlich, Potential zu wenig ausgeschöpft. Daher von mir keine Lese-Empfehlung und zwei Sterne.
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