Kaltblütige Karrieristin geht über Leichen. So könnte man „Dunkler Abgrund“ von Ruth Lillegraven ganz kurz zusammenfassen. Wer „Tiefer Fjord“ kennt, dem ist Clara Lofthus vermutlich noch im Gedächtnis. Während der erste Teil der Reihe mich begeistert hat, konnte dieses Buch bei mir nur mäßig punkten. Die Geschichte fand ich völlig abstrus, die Spannung fehlte für mich gänzlich und die Charaktere waren samt und sonders unsympathisch und undurchsichtig. Schade, ich hatte mich auf das Buch sehr gefreut.
Aber von vorn.
Die ehemalige Sachbearbeiterin im Justizministerium war im
ersten Teil der Serie zur Staatssekretärin ernannt worden, jetzt ist sie
Justizministerin von Norwegen. Außerdem ist sie seit dem mysteriösen Tod ihres
Mannes Haavard (er ertrank, seine Leiche wurde nie gefunden) verwitwet und
alleinerziehende Mutter von achtjährigen Zwillingen. Sie erhält Drohbriefe von
jemandem, der scheinbar weiß, was sie getan hat. Diese ignoriert sie, was sich
als ein Fehler herausstellt. Eines Abends der Schock: Andreas und Nikolai sind
verschwunden, ein Zettel auf dem Küchentisch macht klar, dass die beiden Jungen
entführt wurden. Schlagartig holt Clara ihre Vergangenheit ein, zudem führt die
Spur zu ihren Kindern in das Dorf, in dem sie aufgewachsen ist. Sie hat, wie im
ersten Teil der Serie beschrieben, mehrere Menschen getötet. Hat Sabiya Rana, die
Kollegin und Affäre ihres Mannes, die sie im ersten Teil ins Gefängnis gebracht
hat, beschlossen, sich an Clara zu rächen? Sie hat durch Claras Intrigen alles,
nicht zuletzt ihre Familie mit den drei Kindern, verloren, wurde wegen mangelnder
Beweise aber inzwischen aus der Haft entlassen. Aber die Liste derer, die sich
an ihr rächen könnten, ist noch länger. Schafft Clara es zusammen mit ihrem Leibwächter
Stian, ihre Söhne zu finden?
„Mit dem Cliffhanger legt die Autorin die Latte für den
nächsten Band sehr hoch“ – das habe ich in der Rezension zu „Tiefer Fjord“
geschrieben. Leider konnte Ruth Lillegraven meine Erwartungen nicht einmal
annäherungsweise erfüllen. Die Geschichte in „Dunkler Abgrund“ ist sehr stark
konstruiert, die Charaktere für mich zu zahlreich und auch die Sprache konnte
bei mir auch nicht punkten. Vor allem die Wortwahl bei den Gedankengängen der
achtjährigen Zwillinge lag die Autorin für mich meilenweit daneben. Keine
Ahnung, ob es an der Übersetzung liegt (die hat auch sonst noch ein paar
handwerkliche Fehler), oder ob sie den Jungen wirklich solche erwachsenen und
weisen Worte in den Mund legen wollte, vor allem Andreas ist so altklug, dass
es wirklich unrealistisch ist. Was mich an dem Buch allerdings wieder
beeindruckte, waren die Charaktere. Zwar waren es für mich zu viele und nicht
alle etwas zur Geschichte beitragen, aber sie sind in all ihrer Bösartigkeit liebevoll
ausgearbeitet. Auch in diesem Buch hat jeder irgendein dunkles Geheimnis, vor
allem natürlich Clara, die nicht nur dunkle Geheimnisse, sondern echte Leichen
im Keller hat.
Konzeptionell fand ich die vielen Erzählstränge gut gelungen,
man bekommt als Leser:in Einblicke in alle möglichen Aspekte der Geschichte und
erfährt eine Menge Hintergrundinformationen. Die Handlung selbst fand ich sehr
konstruiert und oft nicht nachvollziehbar oder gar logisch. Spannung fehlte mir
völlig, das bisschen, das sich zwischendurch aufbaut, wird durch die
ausufernden Gedankengänge von Andreas zerredet, der seinen Vater sehr vermisst.
Die Zwillinge sind auch die einzigen, die mir in dem ganzen Buch wirklich ans
Herz gewachsen sind. Der Schluss hat mich nicht überrascht, der war für mich
schon sehr früh absehbar.
Trotz der Enttäuschung bin ich auf den letzten Teil der
Trilogie gespannt. Möglicherweise brachte dieses Buch hier wichtige Einblicke
in Claras Vergangenheit und ihre Familienstruktur, falls nicht, hätte man es vermutlich
auch ersatzlos weglassen können. Von mir für das bisschen Spannung und die
Tatsache, dass ich mit Nikolai und Andreas etwas mitfiebern konnte, zwei Sterne.
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