Als das soziale Leben in Deutschland wegen Corona etwas heruntergefahren wurde, fingen die einen an zu stricken, andere backten Bananenbrot wie die Weltmeister und Hape Kerkeling stürzte sich in die Ahnenforschung. Seine Ergebnisse hat er in seinem Buch „Gebt mir etwas Zeit“ zusammengetragen, welches ich als von ihm selbst eingelesenes Hörbuch hören durfte. Es ist ein informatives, vor allem aber auch bewegendes und berührendes Buch geworden, das ich ganz sicher noch einmal hören werde.
Aber von vorn.
Hape Kerkelings Wurzeln liegen in den Niederlanden und lassen sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Das hat ihn selbst wohl am wenigsten überrascht, hat er doch seit früher Kindheit eine enorme Affinität zu den westlichen Nachbarn. Aber das ist nicht alles, was er bei seiner Ahnenforschung herausfindet. Basierend auf einer DNA-Analyse bekommt er sowohl Kontakt zu noch lebenden Verwandten (die ebenfalls einen DNA-Test gemacht haben und daher in der Datenbank sind), als auch einen Einblick in die Vergangenheit und seine Herkunft. Die große Herzensangelegenheit Kerkelings ist aber, etwas über seine Oma Bertha herauszufinden, zu der er immer ein sehr enges Verhältnis hatte. Auch das, was er in dieser Richtung erfährt, ist interessant und (vermutlich) überraschend. Neben der Stammbaum-Beschau bis ins 12. Jahrhundert erzählt Hape Kerkeling aber auch einiges aus seinem eigenen Leben, vom Suizid seiner Mutter bis hin zu seinen ersten Schritten im Showbusiness und seiner ersten großen Liebe, die jung infolge einer HIV-Infektion verstarb.
Eines ist ganz klar: mich hat das Hörbuch begeistert. Hape Kerkelings Stimme fand ich angenehm, den Text, den er liest, informativ, bewegend und manchmal sogar spannend. Ab und zu habe ich während der fast elf Stunden etwas den Überblick verloren, und bei einem Hörbuch kann man ja nicht mal so einfach zurückblättern wie bei einem Buch oder E-Book. Aber wirklich störend fand ich das nicht, für mich ist es ja eigentlich auch egal, ob er von seinem elften oder zwölften Großvater schreibt und wie der nun genau hieß. Daher habe ich es wirklich genossen, mir das Buch „vorlesen“ zu lassen, an einigen Stellen habe ich herzlich gelacht, an anderen eine Träne verdrückt. Gelangweilt habe ich mich keine Sekunde und durch die Überschriften der Kapitel wusste ich auch immer, in welcher Zeitebene es spielt.
Das Buch ist nahbar, fassbar und bringt einem die Person Hape Kerkeling abseits seiner Kunstfiguren näher. Er erzählt lebhaft und anschaulich von den Problemen der Kerkelings im Laufe der Zeit. Auch seine eigenen Probleme spart er nicht aus und schont sich selbst nicht. Manchmal kann man bei allem Humor auch die Traurigkeit in seiner Stimme hören. Die Histörchen, die er um seine Vorfahren webt, sind überwiegend fiktiv, aber meist ebenso amüsant wie informativ. Abseits der Geschichten, die er sich ausgedacht hat, wartet das Buch mit einer Vielzahl an Fakten auf, die ich sehr interessant fand. Das Leben im „vergoldeten Zeitalter“, wie er es nennt, war mir bislang unbekannt, vor allem der religiöse Aspekt, den er mit geflüsterten Gottesdiensten und der versteckten Kirche „De Papegaai“ (der Papagei) beschreibt.
Mich hat Hape Kerkeling ein bisschen neugierig auf mein eigenes „Familienpuzzle“ gemacht. So wie er mit dem britischen Königshaus verwandt ist, gibt es in meiner Familiengeschichte laut meiner eigenen Großmutter eine Menge verarmten Adel, eine Unzahl unehelicher Kinder und irgendwo eine Linie zur Königin von Saba. Für seine herzerwärmende Reise in die Vergangenheit auf der Suche nach den Wurzeln und der Herkunft und die liebevolle Hingabe, mit der er die Geschichte seiner Großmutter erkundet, gibt es von mir fünf Sterne.
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