„Zerstört“, der sechste und letzte Teil von Karin Slaughters „Grant County“-Serie, hat es in sich. Mittendrin dieses Mal: Lena Adams, Polizistin, enfant terrible und bekannt als Magnet für Unheil und Probleme. Das Buch ist der letzte Teil der Serie, der Schluss kommt also ein bisschen wie eine kalte Dusche, wenn man die Charaktere vorher liebgewonnen hat. Ich hatte es vor über zehn Jahren zum ersten Mal gelesen, jetzt in der Neuauflage noch einmal – und ich muss sagen, es gefiel mir dieses Mal noch besser.
Aber von vorn.
Jeffrey Tolliver, Polizeichef von Heartsdale, wird nach Reese
im Elawah County gerufen. Seine Kollegin Lena ist in dem Ort aufgewachsen, ihr
Onkel Hank lebt noch dort. Jetzt wurde eine weibliche Leiche in einem
ausgebrannten Auto gefunden und Lena ist in Polizeigewahrsam. Sie ist
gleichzeitig Zeugin und Hauptverdächtige. Dr. Sara Linton, Kinderärztin und
Rechtsmedizinerin, hat einen Kunstfehlerprozess am Hals, der sie sehr mitnimmt.
Daher nutzt sie die Gelegenheit, ihren Mann Jeffrey nach Reese zu begleiten. Lena
schafft es, aus dem Gewahrsam zu verschwinden und taucht unter. Telefonisch fordert
sie Jeffrey und Sara mehrfach auf, die Stadt so schnell wie möglich zu
verlassen. Als eine männliche Leiche durch das Fenster in deren Motelzimmers
geworfen wird, bekommen die beiden einen Eindruck von der wirklichen Dimension
der Kriminalität in Reese. Der tote Mann hat nicht nur ein auffälliges
Hakenkreuz-Tattoo am Arm, in seinem Rücken steckt auch noch Lenas Messer. Weiß ihr
inzwischen inhaftierter ex-Freund Ethan Green etwas über die Morde? Und was hat
das alles mit Lenas Familiengeschichte zu tun?
Es ist eine ganze Menge, die Karin Slaughter da ihrer
Leserschaft auftischt. Saras Kunstfehlerprozess, unter dem sie sehr leidet, verkommt
da schnell zur Nebensache. Drogen, Gewalt und Rechtsradikale prägen den
Handlungsstrang, der in Reese spielt. Und mittendrin befinden sich Lena Adams
und ihr Onkel Hank. Die beiden sind die wahren Protagonisten des Buchs. Hank
hängt inzwischen wieder an der Nadel und, obwohl es ihr selbst nicht gefällt,
sorgt sich Lena um ihn, schließlich hat er sie und ihre Zwillingsschwester
Sybil großgezogen. Karin Slaughter baut die beiden Charaktere in allen
möglichen Facetten sehr detailreich aus. Lena wird dadurch nicht sympathischer
und ihre Handlungen auch kein bisschen logischer. Jeffrey und Sara, inzwischen
wieder miteinander verheiratet, haben sich dazu durchgerungen, ein Kind zu
adoptieren. Der Rest der Charaktere verkommt allerdings mehr zu Nebenfiguren,
eher stereotyp als dreidimensional.
Karin Slaughter erzählt die Geschichte in mehreren
Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven, aus der Sicht von Lena und
Jeffrey und Sara. Die Handlung schließt zeitlich sehr nah an den Vorgängerband
an und erstreckt sich grob über eine Woche. Man erfährt einiges aus Lenas
Vergangenheit und aus der Zeit direkt vor dem ersten Mord. Sprachlich ist das
Buch so, wie man es von der Autorin erwartet: brutal, blutig und voller
Kraftausdrücke, dieses Mal wird auch ganz gerne mal gezündelt. Wie immer wird
geflucht und beleidigt, was das Zeug hält. Der blanke Rassismus, den Slaughter
beschreibt, ist sicherlich realistisch und die Verstrickungen und extrem gute Vernetzungen
der Beteiligten sind beängstigend realitätsnah. Ich brauchte eine Weile, bis
ich mit dem Buch warm war, aber nach ein paar Dutzend Seiten hatte es mich
gepackt. Dann fand ich auch den Spannungsbogen zum Teil fast unerträglich hoch
und bin nur so durch die Kapitel geflogen. Die Auflösung des Falls war für mich
eine Überraschung und das Buch endet mit einem Paukenschlag.
Für mich war „Zerstört“ ein enorm spannender Thriller, den
ich Karin-Slaughter-Fans und solchen, die es werden wollen, ans Herz legen
möchte. Eventuell sollte man aber die anderen Teile der Serie vorher in der
richtigen Reihenfolge lesen, es erleichtert das Verständnis ungemein. Von mir
gibt es fünf Sterne.
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