Donnerstag, 6. März 2025

Vor der Stille - Anna Johannsen

Hauptkommissarin Hanna Will und der Kriminalpsychologe Jan de Bruyn ermitteln in Anna Johannsens Krimi „Vor der Stille“ zum dritten Mal zusammen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten miteinander hat sich das „LKA-Team für spezielle Einsätze“  zusammengerauft und zwischen ihnen ist schon etwas mehr als Freundschaft entstanden. Ihr neuer Fall führt sie ins Emsland, wo die Leiche einer jungen Frau im Kanal gefunden wurde. Hundertprozent begeistert hat das Buch mich nicht, aber es war unterhaltsam.

Aber von vorn.

Die Leiche der 24jährigen Lisa Kramer wird im Dortmund-Ems-Kanal gefunden. Wie die Gerichtsmedizin feststellt, ist die junge Frau aber wo anders ertrunken, nämlich in der heimischen Badewanne. Hauptkommissarin Hanna Will und der Kriminalpsychologe Jan de Bruyn werden der örtlichen Polizei zur Unterstützung geschickt, was die ermittelnden Beamten als Affront sehen. Ralf Plagge und Maria Ahlers von der SoKo „Lisa“ sind daher nicht immer hilfreich und die Zusammenarbeit ist von Reibereien geprägt. Beide Teile des Teams brauchen eine Weile, bis die Ermittlungsrichtung klar ist, aber dann kommt Bewegung in den Fall. Lisa, gelernte Bäckereifachverkäuferin, hatte ihren Job gekündigt und ihren Lebensunterhalt durch ihre Einkünfte aus ihrem Only4you-Account bestritten. Sie sah noch extrem jung aus, mehr wie ein Teenager als eine Mittzwanzigerin, daher bediente sie ein gewisses Klientel an Männern. Diese bezahlten sie für ihre Fotos und Videos. „Repräsentiert“ wurde sie von einer „Agentur“, auf Deutsch: von einem Online-zuhälter. Wurde ihr das zum Verhängnis? Hat sie einen ihrer Kunden erpresst? Oder ist der Täter im örtlichen Chor zu finden, in dem sie längere Zeit gesungen hat?

Das Buch besteht etwa zur Hälfte aus dem Fall und den Ermittlungen und zur anderen Hälfte aus dem Privatleben von Hanna Will und Jan de Bruyn. Wer die ersten beiden Teile der Serie nicht kennt, weiß nicht, dass zwischen den beiden anfangs eine ausgeprägte Abneigung bestand und sie einige Zeit brauchten, um sich zusammenzuraufen. Jetzt sind sie sich nähergekommen. Wie nahe sie sich kommen wollen, ist aber unklar. Jan steht kurz vor der Scheidung, seine Frau lebt mit dem gemeinsamen Sohn in London. So viel Privates in einem Krimi bin ich nicht gewohnt, für mich geriet der Fall auch zwischen ständigem Essengehen, den gemeinsamen Nächten (rein platonisch) und den ausufernden Kompetenzstreitigkeiten mit den Kolleg:innen im Emsland ein bisschen sehr in den Hintergrund. Weder die örtlichen Ermittler in der SoKo „Lisa“ noch Jan und Hanna geben sich Mühe, eine fruchtbare Zusammenarbeit auf die Beine zu stellen, die Zweiergespanne kochen jeweils ihr eigenes Süppchen aus Alleingängen, wobei oft die gebotene Professionalität gänzlich fehlt. 

Der Spannungsbogen ist anfangs hoch, wird aber zunehmend flacher, dafür kam der Schluss abrupt. Die Lösung hat mich überrascht. Im Lauf der Geschichte, die abwechselnd aus der Sicht von Jan und Hanna erzählt wird, tauchen wie bei einer Hydra immer mehr Verdächtige und Motive auf. Die Charaktere außer den beiden Protagonisten sind eher mäßig ausgearbeitet und bleiben blass und eindimensional. Hanna und Jan sind Kenner der Reihe ja bekannt, in diesem Buch fand ich sie ärgerlich unprofessionell im Umgang mit Kollegen und zum Teil auch mit Verdächtigen, über den Umgang miteinander möchte ich gar nicht erst reden. Da sind sie wie nervtötend verliebte Teenager mitten in der Pubertät. 

Sprachlich ist der Krimi angenehm, die Handlung unblutig, einige Rechtschreibfehler störten meinen Lesefluss und insgesamt hätte dem Buch ein sorgfältigeres Lektorat gutgetan. Insgesamt kommt das Buch daher für mich über ein „unterhaltsam“ und „ganz nett“ nicht hinaus, was ich von der Autorin gar nicht gewöhnt bin. Wegen der mangelnden Spannung vergebe ich drei Sterne. 


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