Freitag, 7. November 2025

Mein Leben als Zitronenbaum - Peter Freudenthaler/Michaela Frölich

Oft stolpere ich in den sozialen Medien über die Frage: „Welches war das schlimmste Lied der 1990er und warum ist es Lemon Tree?“ Da werde ich nicht müde, für den Song und Fools Garden, die Band dahinter, einzustehen. Ich mag das Lied nämlich gern, daher habe ich auch „Mein Leben als Zitronenbaum – Die Lemon Tree-Story: Fools Garden der Welthit und ich“ mit Freude gelesen. In diesem Buch erzählt Sänger und Songschreiber Peter Freudenthaler die Geschichte der Band, eingebaut in die Geschichte seines eigenen Lebens, aufgezeichnet wurde das alles von Michaela Frölich. Ob man „Lemon Tree“ nun mag oder nicht, Fakt ist: es war ein Welthit und obwohl die Band mit keinem ihrer weiteren elf Alben an den Erfolg anknüpfen konnte, wäre es falsch, sie als „One-Hit-Wonder“ zu bezeichnen, denn da ist noch viel mehr mehr als der Zitronenbaum.  

Aber von vorn.

Peter Freudenthaler wurde 1963 in Pforzheim geboren, Musik war schon immer ein wichtiger Teil seines Lebens. Nach dem Abitur machte er seinen Zivildienst,  anschließend lernte er für ein Jahr Schreiner, eine Voraussetzung für seine Traum-Ausbildung zum Klavierbauer bei C. Bechstein. Nach dem Abschluss schrieb er sich für ein Studium der Medientechnik in Stuttgart ein, dort traf er Volker Hinkel, der später eines der Gründungsmitglieder von Fool’s Garden sein sollte. Die beiden waren musikalisch auf einer Wellenlänge, sodass Peter Freudenthaler damals schon wusste: „Das hier war der Beginn eines neuen Kapitels, für uns beide.“ Der Rest ist Geschichte. 1996 startete Fool’s Garden (damals noch mit Apostroph) durch. Es wurde „Das erste Jahr der allerersten Male“. Die Single „Lemon Tree“ und das Album „Dish of the day“ führten die Charts an. Freudenthaler erzählt von großen Erfolgen und den Schattenseiten des Erfolgs. Mit viel Enthusiasmus beschreibt er das Gefühl, plötzlich auf der Straße erkannt zu werden, aber auch von schlechten Kritiken und den Schattenseiten des Ruhms. 

Das Buch ist sprachlich bodenständig, gut strukturiert und die vielen Anekdoten machen es wirklich interessant zu lesen. Ein paar Stellen hätten für mich mehr Einordnung gebraucht. „Dann kam die erste große Samstagabendshow: Stars ’96, live aus dem Kurhaus in Baden-Baden, moderiert von Eva Herman (die damals noch moderieren durfte).“ – da fehlt mir der Kontext, warum sie nicht mehr moderieren darf. Ebenso fehlt mir die Einordnung bei dem anthroposophischen Altersheim, in dem er seinen Zivildienst ableistete. Er sagt zwar „Ich hatte keine Ahnung, was sich hinter dieser geistigen Ausrichtung verbarg“, geht aber nicht näher darauf ein, was sich denn nun dahinter verbirgt. „Ich war ein sehr verträumtes Kind und lebte oft in meiner eigenen Welt. Heute würde man wahrscheinlich sagen, dass ich leicht autistische Züge hatte“ – so funktioniert Autismus leider nicht, auch das sollte man so nicht in den Raum stellen. 

Abgesehen davon fand ich das Buch wirklich eine lohnende Lektüre. Sprachlich ist das Buch sehr angenehm, beeindruckend fand ich vor allem, dass Peter Freudenthaler kein böses Wort verliert. Nicht über Menschen, die beim Vertragsabschluss 1995 ihre Naivität ausnutzten und auch nicht über die beiden Bandmitglieder, die irgendwann „ihr eigenes Ding“ machen wollten. „Schließlich nahmen Thomas und Roland eigene Songs auf und reichten sie, ohne uns darüber zu informieren, bei unserer damaligen Plattenfirma ein. Das empfanden wir als Vertrauensbruch“ – schärfer wird sein Tonfall auch da nicht. Allerdings trennten sich Fools Garden 2003 und Freudenthaler tourt seitdem überwiegend mit Volker Hinkel als Duo. 

Gerührt hat mich die Wärme, mit der er von seinen drei Kindern und vor allem von seinen inzwischen verstorbenen Eltern erzählt. Interessant fand ich auch die Ausführungen, wie er seine Stücke schreibt: „Unsere Philosophie war simpel: Wenn uns etwas in den Kopf kam, machten wir einen Song daraus, egal, ob es zu dem passte, was wir vorher aufgenommen hatten oder nicht.“ Bei mir läuft seit ein paar Tagen fast pausenlos „Dish of the day“ (aber nicht „Lemon Tree“, sondern „Ordinary Man“), ich schwelge mit Peter Freudenthaler in Erinnerungen und bin dankbar dafür, dass er  mich auf seinen Ausflug in die Vergangenheit mitgenommen hat, denn seine Erinnerungen sind ein Teil meines Erwachsenwerdens. Wegen der fehlenden Einordnung mancher Dinge und der QR-Codes und Links im Buch ziehe ich einen halben Stern ab, aufgerundet vergebe ich aber fünf Sterne. 


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