Viel Potenzial – wenig draus gemacht
Ich habe mich sehr auf den zweiten Band um die ehemalige
Entwicklungshelferin Amanda Doucette gefreut, in dem sie mit einer Gruppe
Jugendlicher (zumeist Flüchtlinge, vor allem aus dem Nahen Osten) eine Art
„Abenteuercamp“ in der kanadischen Wildnis plant. Kurzfristig meldet eine
Mutter noch ihren Sohn Luc an, den einzigen Kanadier in der Gruppe, der
allerdings eine Drogen-Vergangenheit samt Gefängnisaufenthalt mitbringt.
Von Anfang an gibt es in der Gruppe Reibereien, vor allem
unter den männlichen Teilnehmern und speziell Luc kann in der Gruppe nicht Fuß
fassen. Und auch bei den Teilnehmerinnen an der Veranstaltung treffen sehr
unterschiedliche Kulturen und unterschiedliche Ansichten aufeinander.
Und dann verschwindet Luc, kurz darauf auch noch Yasmina,
eine junge Frau aus einem Wissenschaftler-Haushalt, deren Eltern aus dem Irak
geflüchtet sind.
Und damit befinden sich Amanda und ihr Team mitten in einer
Mischung aus Suche und Verfolgungsjagd, wobei sie, ebenso wie der Leser, keine
Ahnung haben, worauf sie sich da eingelassen haben. Nur so viel wissen alle:
Yasmina stammt aus dem Irak und ihre Eltern sind Wissenschaftler. Der Leser
stellt sich praktisch dieselben Fragen, wie die Haupt-Akteure des Buchs: ist
Yasmina radikalisiert aus ihrem Ägypten-Aufenthalt zurückgekommen? Welche Rolle
spielen Luc und der ominöse Zidane? Und dann wird auch noch der erste Tote
gefunden.
Insgesamt ist der Grundstock des Buchs sehr gut. Aber da
hörte bei mir der Spaß leider auch schon auf. Das Buch ist stellenweise sehr
schlecht und holprig übersetzt, einiges ist zu plakativ geschildert und zum
Teil hat das Buch extreme Längen. Und ich finde auch den Titel eher
irreführend, denn um die Toten im Schnee geht es eigentlich eher peripher. Und
die deutsche Übersetzung in „Die Schneetoten“ hat auch mit dem englischen Titel
„The Trickster’s Lullaby“ nichts zu tun.
Vieles in dem Buch fand ich dagegen sehr gut. Die
Einstellung von Yasminas Eltern gegenüber ihrer neuen Heimat Kanada. Die
Darstellung der Hauptcharaktere, wobei die Neben-Figuren sehr knapp und kurz
beschrieben werden und praktisch nur Papp-Kameraden, also mehr „Mittel zum
Zweck der Erzählung“ in der Geschichte sind. Tatsächlich ist der kanadische
Winter ein besser beschriebener Hauptdarsteller des Buchs, als so mancher
Teilnehmer am Camp.
Zu knapp finde ich
dagegen die Schilderung, wie und wieso Jugendliche den radikalisierenden
Rattenfängern ins Netz gehen, ein Thema, das aktueller ist, denn je. Spannend finde ich das Aufeinanderprallen von
zwei im tiefsten Inneren radikalen Welten: dem Gutmenschentum von Amanda, die
einerseits hofft, mit dem Campaufenthalt die Welt ein bisschen besser machen zu
können, andererseits aber mit ihrem eigenen Trauma und sich selbst eigentlich
noch genug zu tun hat - und Welt (und Welt-Anschauung) radikaler Islamisten.
Die Autorin zeichnet ein sehr anschauliches Bild der
kanadischen Winterlandschaft, auch die Naturbeschreibungen kommen nicht zu kurz
– ob die in einem Krimi ihre Daseinsberechtigung haben weiß ich nicht. Klar,
viele der Verfolgungsjagden wären ohne den stetigen Schneefall, die bergige
Landschaft oder den Wind nicht so spannend. Aber es sorgt auch für extreme
Längen.
Der Schluss wiederum hat mich richtig überrascht und die
letzten etwa 50 Seiten haben mich ernsthaft gefesselt. Schade, dass der Rest
des Buchs das nicht auch getan hat. Leider nur 2 Punkte.
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