Donnerstag, 4. April 2019

Die Schneetoten - Barbara Fradkin


Viel Potenzial – wenig draus gemacht

Ich habe mich sehr auf den zweiten Band um die ehemalige Entwicklungshelferin Amanda Doucette gefreut, in dem sie mit einer Gruppe Jugendlicher (zumeist Flüchtlinge, vor allem aus dem Nahen Osten) eine Art „Abenteuercamp“ in der kanadischen Wildnis plant. Kurzfristig meldet eine Mutter noch ihren Sohn Luc an, den einzigen Kanadier in der Gruppe, der allerdings eine Drogen-Vergangenheit samt Gefängnisaufenthalt mitbringt.
Von Anfang an gibt es in der Gruppe Reibereien, vor allem unter den männlichen Teilnehmern und speziell Luc kann in der Gruppe nicht Fuß fassen. Und auch bei den Teilnehmerinnen an der Veranstaltung treffen sehr unterschiedliche Kulturen und unterschiedliche Ansichten aufeinander.
Und dann verschwindet Luc, kurz darauf auch noch Yasmina, eine junge Frau aus einem Wissenschaftler-Haushalt, deren Eltern aus dem Irak geflüchtet sind.
Und damit befinden sich Amanda und ihr Team mitten in einer Mischung aus Suche und Verfolgungsjagd, wobei sie, ebenso wie der Leser, keine Ahnung haben, worauf sie sich da eingelassen haben. Nur so viel wissen alle: Yasmina stammt aus dem Irak und ihre Eltern sind Wissenschaftler. Der Leser stellt sich praktisch dieselben Fragen, wie die Haupt-Akteure des Buchs: ist Yasmina radikalisiert aus ihrem Ägypten-Aufenthalt zurückgekommen? Welche Rolle spielen Luc und der ominöse Zidane? Und dann wird auch noch der erste Tote gefunden.
Insgesamt ist der Grundstock des Buchs sehr gut. Aber da hörte bei mir der Spaß leider auch schon auf. Das Buch ist stellenweise sehr schlecht und holprig übersetzt, einiges ist zu plakativ geschildert und zum Teil hat das Buch extreme Längen. Und ich finde auch den Titel eher irreführend, denn um die Toten im Schnee geht es eigentlich eher peripher. Und die deutsche Übersetzung in „Die Schneetoten“ hat auch mit dem englischen Titel „The Trickster’s Lullaby“ nichts zu tun.
Vieles in dem Buch fand ich dagegen sehr gut. Die Einstellung von Yasminas Eltern gegenüber ihrer neuen Heimat Kanada. Die Darstellung der Hauptcharaktere, wobei die Neben-Figuren sehr knapp und kurz beschrieben werden und praktisch nur Papp-Kameraden, also mehr „Mittel zum Zweck der Erzählung“ in der Geschichte sind. Tatsächlich ist der kanadische Winter ein besser beschriebener Hauptdarsteller des Buchs, als so mancher Teilnehmer am Camp.
 Zu knapp finde ich dagegen die Schilderung, wie und wieso Jugendliche den radikalisierenden Rattenfängern ins Netz gehen, ein Thema, das aktueller ist, denn je.  Spannend finde ich das Aufeinanderprallen von zwei im tiefsten Inneren radikalen Welten: dem Gutmenschentum von Amanda, die einerseits hofft, mit dem Campaufenthalt die Welt ein bisschen besser machen zu können, andererseits aber mit ihrem eigenen Trauma und sich selbst eigentlich noch genug zu tun hat - und Welt (und Welt-Anschauung) radikaler Islamisten.
Die Autorin zeichnet ein sehr anschauliches Bild der kanadischen Winterlandschaft, auch die Naturbeschreibungen kommen nicht zu kurz – ob die in einem Krimi ihre Daseinsberechtigung haben weiß ich nicht. Klar, viele der Verfolgungsjagden wären ohne den stetigen Schneefall, die bergige Landschaft oder den Wind nicht so spannend. Aber es sorgt auch für extreme Längen.
Der Schluss wiederum hat mich richtig überrascht und die letzten etwa 50 Seiten haben mich ernsthaft gefesselt. Schade, dass der Rest des Buchs das nicht auch getan hat. Leider nur 2 Punkte.

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