Montag, 10. Februar 2020

Die Mozarts - Michael Lemster

Hör ich den Namen Mozart, denke ich unweigerlich an Wolfgang Amadeus und eventuell noch an seinen Vater Leopold – aber dann endete bislang mein bescheidenes Wissen um diese Familie. Dabei gab es im Laufe der Zeit so viel mehr Mozarte, die es wert wären, erwähnt zu werden. Und eben das hat sich Michael Lemster zum Thema gemacht: eine Chronik ALLER Mozarts. Begonnen hat die (nachvollziehbare) Geschichte der Familie wohl um 1487 mit Andris Motzhart. Enden wird die Geschichte rund 500 Jahre später mit dem Tod des letzten bestätigten Nachkommen.

Der Autor führt den Leser durch viele Generationen der Familie Mozart und verflicht dabei gekonnt und höchst unterhaltsam Geschichte mit Geschichten, Fakten mit Vermutungen. Er nimmt den Leser mit nach Augsburg und Salzburg, streift den 30jährigen Krieg und zeigt den Aufstieg der ehemaligen „Schmutzfinken“ (das Wort Mozart kommt vermutlich von „Mot“, dem mittelhochdeutschen Wort für schwarze Erde, Moder, Sumpf. Die Mozarts waren die, die im Morast wohnten. Die Schmutzfinken vielleicht.“) in Berufe wie Maurer, Baumeister, Architekten und Buchbinder. In der Familie steckte offensichtlich viel Ehrgeiz, aber auch sehr viel Fleiß und Talent.

Am ausführlichsten geht der Autor natürlich dennoch auf die Familie rund um Wolfgang Amadé ein. Über die gibt es auch die meisten nachvollziehbaren Fakten, es existiert Korrespondenz und Literatur. Aber in der „Companie Mozart“ ist es nicht nur „Wolferl“, der zählt, auch wenn er heute schlicht DER Mozart ist.

Nebenher erfährt der Leser sehr vieles über die jeweilige Epoche, ihre Sitten und Gebräuche, aber auch den Stand der Medizin und was man damals in der Freizeit so machte und welche Kleidung modern war. Diese Fakten unterfüttern den sonst zum Teil spekulativen Roman und machen ihn sehr informativ über das Thema Musik hinaus. Eines sei dem Autor allerdings gesagt. Seine Passage über Constanzes (Wolfgangs Frau) Krankheit ulcus cruris ist so nicht richtig und eigentlich ein Schlag ins Gesicht aller Betroffener. „Diese Erkrankung ist heute leicht beherrschbar und allenfalls unangenehm und lästig“ – nein, sie ist nicht leicht beherrschbar. Sie ist auch heute noch oft sehr schwer in den Griff zu bekommen, oft chronisch nicht heilend und äußerst schmerzhaft, nicht nur unangenehm und lästig. So sorgfältig er sonst für das Buch recherchiert hat – da liegt der Autor meilenweit daneben.

Man muss kein Fan klassischer Musik sein, um dieses Buch faszinierend zu finden. Obwohl mich Musikunterricht in der Schule stets gelangweilt hat, hat mich das Buch begeistert. Und ich bewundere die Gründlichkeit der Recherche, die Kreativität der „kann-so-gewesen-sein“-Passagen und die Herangehensweise des Autors an die Familie. Nie wieder werde ich beim Wort Mozart nur an DEN EINEN denken, denn da sind doch noch so viele andere, die es wert sind, dass man an sie denkt. Klare 5 Punkte.

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