Dienstag, 24. März 2020

Sein Reich - Martin Schäuble


Sie sind mitten unter uns – eine Geschichte über Prepper und Reichsbürger

Juri ist 15 und hat in den Sommerferien nichts vor und kein Geld zum Verreisen. Also fährt er zu seinem Vater, den er jahrelang nicht gesehen hat in den Schwarzwald. Und damit fährt er nicht nur zu jemandem, den er kaum kennt, er findet sich plötzlich unter Menschen wieder, die eine völlig andere Gesinnung und Einstellung haben, als er. Sein Vater und dessen Freunde sind sogenannte Reichsbürger, eine Gruppierung von Menschen, die die Bundesrepublik Deutschland als unrechtmäßig ablehnen, als „Firma“ bezeichnen und sich selbst als Zugehörige zum Deutschen Reich sehen.

„Alles geht den Bach runter“, sagt Papa. Er setzt sich auf die Kante des Tisches. „Jederzeit kann der Krieg ausbrechen. Gut, wenn du auch vorbereitet bist“ – dieser Satz ist ebenso bezeichnend für die Geisteshaltung der Reichsbürger wie „Keine Behörde kann uns etwas vorschreiben, die haben alle keine Berechtigung. Die BRD ist eine Firma. Mehr nicht“. Soviel Ewiggestrigkeit ist in einem Jugendbuch ganz schön harter Tobak, dazu das Cover in rot-schwarz, die Flagge des Deutschen Reichs war schwarz-weiß-rot.

Dieses Buch ist fiktiv, aber keine Fiktion. Denn diese Gruppierungen gibt es und sie sind mitten unter uns. Sie haben keine Personalausweise, da sie sich nicht als „Personal“ der Firma BRD sehen, selbst die Nummernschilder auf ihren Autos und Nutzfahrzeugen sind noch aus der Zeit des Deutschen Reichs. Da wird in Wald und Flüssen gewildert, Gesetze gelten nur die eigenen, die des Staates werden in jeder Form abgelehnt. Dazu stehen auch „Heiler“ höher im Kurs als Ärzte. Und wilde Verschwörungstheorien über Chemtrails, die gefälschte Mondlandung und Leugnung von Holocaust und 9/11. Und natürlich ist für Karl, den Freund von Juris Vater, die Erde hohl.

Im Buch wie im wahren Leben sind die Verfechter dieser Gesinnung völlig überzeugt von ihren Wahr- und Weisheiten, sie sind gewaltbereit und skrupellos und alle, die anderer Meinung sind, sind rot-grün versiffte Zecken und „Linksparasiten“.

Die Charaktere sind sehr klar gezeichnet. Juri in seiner pubertär-kindlichen Naivität im Kontrast zu den abgeklärten Jugendlichen aus den Reihen der Reichsbürger, die Erwachsenen in voller Skrupellosigkeit und Verblendung. Insgesamt greift der Autor jedes Klischee auf und lässt nichts aus, was man landläufig über diese Gruppierungen zu kennen glaubt. Obwohl – Echsenmenschen oder Reptiloide und Kopfbedeckungen aus Alufolie erwähnt er tatsächlich nicht.

Ein ganz tolles Buch über ein brandaktuelles und schwieriges Thema. Sprachlich ist das Buch sehr jugendlich und lebensnah, manchmal etwas abgehackt, manchmal Slang aber alles in allem flüssig zu lesen. Die Stimmung wechselt immer wieder zwischen so etwas wie „heile Welt“ und „kurz vor Bürgerkrieg“ – bildhaft beschrieben, düster und bedrückend. Von mir klare 5 Punkte und eine absolute und uneingeschränkte Lese-Empfehlung.

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