Freitag, 3. April 2020

Die Maske der Gewalt - Jennifer B. Wind


„Die Maske der Gewalt“ von Jennifer B. Wind ist kein Drama in drei Akten (es ist zusätzlich zu den Kapiteln auch in drei Akte gegliedert) sondern ein enorm spannender Thriller mit mehreren Handlungsebenen und äußerst ungewöhnlichen Hauptcharakteren. Viel kann man zu der Geschichte gar nicht sagen ohne zu spoilern. Deshalb nur ganz knapp: in Wien tötet jemand auf brutalste Weise Frauen, in München wird eine junge Mutter entführt und mittendrin ist Richard, einer der vermutlich ausgefallensten Ermittler von dem ich je gelesen habe. Er ist nicht nur Polizist, sondern unter dem Künstlernamen „Mr. Domino“ Zirkusartist. In Wien gehören die Ermittlungen zu seinen beruflichen Aufgaben, in München ist er persönlich betroffen: die entführte junge Frau ist so etwas wie seine Schwester.

Die beiden Haupt-Handlungsstränge haben mich von der ersten Seite an gefesselt. Dazwischen bekommt der Leser immer wieder Einblicke aus Sicht des Täters und auf das Leben des Ermittlers Richard Schwarz. In seinem Leben spielen Masken eine wichtige Rolle, denn er versteckt auf der Bühne die Narben dahinter, die er als kleiner Junge nach einer schweren Verbrühung zurückbehalten hat. Aber auch unsichtbare Masken sind ein Teil des Buchs. Viele der Charaktere tragen Geheimnisse mit sich herum, verstecken ihre „Leichen im Keller“ hinter einem Pokerface.

Handwerklich ist der Thriller solide geschrieben, so gut wie jedes einzelne Kapitel endet mit einem Cliffhanger. Und die Fälle finden zwar am Schluss ihre Aufklärung – aber die Autorin schließt auch das Buch mit einem Cliffhanger und man kann nahtlos „Die Maske der Schuld“ weiterlesen, die inzwischen erschienen ist. Sprachlich ist das Buch sehr einfach und doch sehr ausdrucksstark und flott geschrieben. Die Charaktere sind deutlich gezeichnet, wobei Richard Schwarz ganz eindeutig die Hauptperson ist, kein anderer Charakter bekommt so viel Aufmerksamkeit wie er.

Der Krimi ist rasant geschrieben, bis zum Schluss spannend und psychologisch interessant. Ein paar holprige Formulierungen (Paul trinkt zum Mittagessen den „Chemiekoffeinzuckerschocker in der Zero-Version“ oder „Dann setzte er sich auf einen abgeschnittenen Baumstumpf“ – Stümpfe sind immer abgeschnitten!) konnten meine Lesefreude nicht trüben. Vielleicht ist es insgesamt ein bisschen zu österreichisch im Satzbau (in Dialogen steht meistens vor Namen noch ein Artikel wie „Ich rufe den Gerhard an“ – das ist in meinem Sprachgebrauch unüblich) – das hat aber auch durchaus Charme.

Inhaltlich hat sich die Autorin mit der Verknüpfung der beiden Haupt-Handlungen und den vielen Verweisen auf Richards Geschichte viel vorgenommen, manchmal scheint sie sich ein bisschen zu verzetteln aber insgesamt hat sie es bravourös geschafft, dass nichts wirklich zu kurz kommt. Dazu kommen nämlich auch noch Themen wie (häusliche) Gewalt, Mord, Trauma, Rache, Drogen, persönliche Krisen und natürlich die selbsternannte Bürgerwehr in Wien samt Rassismus, Homophobie und allgemeiner Intoleranz. Zwar legt sie ihren Schwerpunkt nach einer Weile auf die Vorgänge in München rund um den Zirkus und die entführte „Schwester“ von Richard und die Morde in Wien verkommen zum Nebenschauplatz, aber ich kann nicht behaupten, dass ich an dem Buch irgendetwas vermisst hätte. Das Buch macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Ich freue mich, dass es der erste Teil einer Trilogie ist und vergebe 5 Sterne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.